Dollern. Seit 75 Jahren verkauft das Einkaufszentrum Mohr bei Hamburg Lifestyle fernab aller Einkaufsmeilen. Dahinter steckt ein klares Konzept.
Wer seinem Unternehmen den eigenen Familiennamen gibt, geht damit eine besondere Verbindung ein – meist eine Art Ehe. So gesehen ist die Familie Mohr in Dollern bereits seit 75 Jahren verheiratet mit ihrer ganz besonderen Firma: dem Einkaufszentrum Mohr, das sie Erlebnishaus, Wohlfühlhaus, Lifestyle-Haus oder einfach Mohr nennen. Mit einem dicken schwarzen Punkt dahinter, wie im Logo: Mohr. Punktum.
Das schlichte Logo passt, weil es Selbstbewusstsein und Zurückhaltung gleichermaßen signalisiert. Eigenschaften, die die vier jeweiligen Generationen auf der Führungsebene über die siebeneinhalb Jahrzehnte hinaus verbinden und die dem Unternehmen noch heute ihren Stempel aufdrücken. Das 19.000 Quadratmeter große Haus am Rande des Alten Landes ist ein familiäres Traditionsunternehmen, wie man es heute immer seltener findet.
Kaufhaus Mohr in Dollern: Liebevoll „Wüstenkarstadt“ genannt
Der Online-Handel und die Folgen von Lockdown und Corona-Pandemie macht vielen klassischen Kaufhäusern schwer zu schaffen, was die Schließung diverser Filialen des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof zuletzt wieder schmerzhaft belegte. Karstadt geht – aber „Wüstenkarstadt“ bleibt. Diesen liebevoll gemeinten Spitznamen erhielt Mohr in Dollern vor vielen Jahren wegen seiner dörflichen Lage auf der grünen Wiese und wegen des umfangreichen Sortiments, das sich mit jedem städtischen Angebot messen lassen kann. Liegt darin das Erfolgsgeheimnis dieses Dauerbrenners?
Es steckt mehr dahinter. Und der Vergleich mit Karstadt hinkt sowieso. Denn im Gegensatz zu Karstadt-Investor René Benko hat Familie Mohr in ihr Unternehmen kontinuierlich investiert, um es attraktiv und auf der Höhe der Zeit zu halten – mit viel Geld und viel Arbeit.
Die Lage auf dem platten Land hat sich längst als Vorteil erwiesen
Die Stützen des Erfolgs müssen laufend gepflegt werden, um nicht brüchig zu werden. „Zu den vier wichtigsten Säulen der Unternehmenskultur zählen an erster Stelle das kompetente, freundliche und besonders serviceorientierte Mitarbeiterteam, das individuell zusammengestellte Sortiment in allen Mode-, Sport-, Küchen- und Restaurantwelten, ein modernes und individuelles Ambiente, das zum Verweilen einlädt und Aktions- und Eventprogramme, die die Gäste des Hauses immer wieder überraschen und begeistern sollen“, beschreibt Geschäftsführer Volker Mohr das Erfolgsrezept.
Inzwischen hat sich auch die für ein so großes und vielseitiges Kaufhaus ungewöhnliche Lage auf dem platten Land zwischen A26, B73 und Bahnanschluss längst als Vorteil erwiesen, der den Standort unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit zu einem guten macht.
Stade, Buxtehude, Hamburg: Die Konkurrenz für das Kaufhaus ist groß
Doch die beiden attraktiven Hansestädten Stade und Buxtehude befinden sich in unmittelbarer Nähe, und auch Hamburg ist nicht aus der Welt. In den städtischen Einkaufsstraßen gibt es eine „natürliche“ Kundenfrequenz. Bei Mohr ist diese Frequenz hausgemacht. Jeder Kunde muss generiert werden. „Deshalb richten wir all unsere Anstrengungen darauf aus, dass die Menschen zu uns kommen“, sagt Beke Mohr. Und ihr Mann Volker ergänzt: „Es muss Sinn machen, hierher zu fahren.“
Das Ehepaar leitet seit mehr als 30 Jahren die Geschäfte des Familienunternehmens, das sie von Volker Mohrs’ Eltern Gerhard und Elli übernommen haben. Unterstützt werden die beiden seit Kurzem von ihrem Sohn Julius, mit dem die vierte Mohr-Generation in die Geschäftsführung eingetreten ist.
Das Motto bei Mohrs: Man muss der Kundschaft etwas bieten
Der 28-jährige, der Betriebswirtschaft studiert hat und nach seinem Studium Erfahrungen bei renommierten Modeunternehmen in Süddeutschland sammeln konnte, vertritt das klare Zielbild ebenso wie seine Eltern: Man muss der Kundschaft etwas bieten. Das hausinterne Motto laute „Ein Tag Urlaub bei Mohr“, sagt Julius Mohr: „Daran orientieren wir uns bei unserer täglichen Arbeit.“
Die Kunden sollen etwas erleben bei ihrer Shoppingtour durch die verschiedenen „Mohr-Welten“: Sie durchschreiten Mode-, Küchen- und Sportwelten, können einen Zwischenstopp im Restaurant „Sinneswandel“ mit seiner Kinderspielecke, der großen Dachterrasse und dem Weitblick ins Alte Land einlegen und dann gestärkt in die nächste Shoppingrunde starten.
Eine Kaufabschlussquote von mindestens 50 Prozent – normal sind um die 20
Auf diese Weise können Stunden im Haus verbracht werden. Mohr lockt zudem mit vielen speziellen Events aus Kultur und Sport nach Dollern und hält seine Kunden per Newsletter und in den Sozialen Medien über Neuigkeiten auf dem Laufenden. All diese Maßnahmen scheinen zu greifen: „Mit unserem großen Sortimentsportfolio erreichen wir eine hohe Verweildauer bei unseren Gästen. Sie bleiben länger bei uns als üblich“, sagt Volker Mohr.
Eine Zahl unterstreiche diesen Erfolg, ergänzt Julius Mohr: „Unsere Kaufabschlussquote liegt bei mindestens 50 Prozent. Normalerweise liegt sie in der Branche im Durchschnitt bei 20 Prozent.“ Um solche Werte zu erreichen, müsse man genau wissen, was die Menschen wünschen, und welche Trends gerade angesagt sind.
Ein eigener Online-Shop als „verlängertes Schaufenster“
Weshalb vor allem für Einkäuferin Beke Mohr die Besuche auf den großen Modenschauen und Modemessen in Europa Pflichttermine sind. Das hat schon ihre Schwiegermutter Elli so gehalten, doch Mode und Lifestyle änderten sich heute schneller denn je, weiß Beke Mohr: „Der Endverbraucher ist heute durch das Internet viel informierter als noch vor 25 Jahren und durch die Sozialen Medien außerdem sehr von neuen Trends getrieben. Diese Entwicklungen müssen wir wahrnehmen und immer auf dem Laufenden bleiben.“
Das sei eine stetige Herausforderung: „Die beiden klassischen Saisons mit der Frühjahr/Sommer- und der Herbst/Winter-Kollektion gibt es so nicht mehr. Es geht quasi ständig neue Ware bei uns ein und muss entsprechend präsentiert werden“, sagt Beke Mohr. Zwar betreibt Mohr auch einen eigenen Online-Shop, doch die Inhaber sehen das Internet eher als „verlängertes Schaufenster“ zum stationären Handel und setzen auf die Beratungskompetenz ihres 250-köpfigen Teams: „Wir haben eine sehr geringe Umtauschquote“, sagt Volker Mohr.
Die großen Versandhäuser der Republik: Quelle, Otto, Neckermann – Mohr
Seine Mutter Elli, eine inzwischen fast 90 Jahre alte Dame, kann sich noch sehr gut daran erinnern, wie es früher war: Das Fundament des heutigen Mode- und Einrichtungshauses wurde 1948 von ihren späteren Schwiegereltern Bodo Mohr und seiner Frau Gesine mit einem kleinen Laden- und Reisegeschäft gelegt. Der Aufstieg der Firma begann mit der Eintragung des Warenzeichens „Betten-Mohr“ beim Deutschen Patentamt im Jahr 1950, mit dem der Grundstein für einen Versandhandel gelegt wurde. Er machte Mohr deutschlandweit bekannt.
Das Versandhaus Mohr KG umfasste bald auch Bekleidung für Damen und Herren. Bereits der erste 42-seitige Versandkatalog erschien überregional und führte dazu, dass das Unternehmen aus Dollern, bei dem im Versandgeschäft bis zu 350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt waren, schon bald in einem Atemzug mit den großen Versandhäusern der Republik genannt wurde: Quelle, Otto, Neckermann - Mohr.
- Fabian Stackmann: So kann ein Kaufhaus in der City funktionieren
- Wie das kleine Buxtehude den großen Norden aufmischte
- A26: Bleibt Buxtehude für immer ohne Zubringer?
„Das war ein großer Meilenstein für meine Schwiegereltern, meinen verstorbenen Mann und mich“, erinnert sich Elli Mohr. Das Unternehmen sei nach und nach gewachsen: „Immer, wenn wieder Geld verdient worden war, wurde es in das Geschäft gesteckt“, sagt Elli Mohr.
Kaufhaus Mohr in Dollern: Der ständige Wandel als größte Konstante
Anfang der 1970er-Jahre beschlossen sie und ihr Mann Gerhard, vom Versandhandel auf den Einzelhandel umzustellen, womit umfangreiche Umbaumaßnahmen verbunden waren, um eine angemessene Verkaufsflächen zu schaffen. Mitte der 1970er-Jahre betrug die Verkaufsfläche in Dollern 11.000 Quadratmeter. Volker Mohr stieg 1989 ins Familienunternehmen ein, seine Frau Beke wenig später. Unter ihrer Regie erfolgte der weitere Ausbau des Mode- und Einrichtungshauses, das heute über eine 19.000 Quadratmeter große Verkaufsfläche verfügt.
Auch in den vergangenen Jahren wurde immer wieder umfangreich umgebaut und modernisiert, viele neue Partner kamen hinzu. Bei aller Tradition ist der Wandel im Auftritt und im Angebot für die Familie Mohr deshalb vielleicht die größte Konstante – sowohl in der 75-jährigen Firmengeschichte als auch im täglichen Geschäft. Und der familiäre Zusammenhalt: „Wir ticken alle irgendwie gleich und haben ähnliche Gedanken. Und wir sind gern für unsere Kunden da“, sagt Volker Mohr. Es scheint also immer noch eine glückliche Ehe zu sein zwischen der Firma und den Mitgliedern der Familie Mohr. Punkt.