Winsen/Stade/Veddel. Amazon streicht weltweit fast 20.000 Stellen. In Stade und Lüneburg liegen ganze Standorte auf Eis. Was der Konzern plant.
Nach Jahren des Aufschwungs möchte der US-Versandhändler Amazon sparen und Stellen streichen. Wie Anfang des Jahres bekannt wurde, baut der Konzern weltweit 18.000 Arbeitsplätze ab. Auch der Ausbau des Logistiknetzes in Deutschland scheint zu stocken – oder sich mindestens zu verändern.
Zu beobachten ist das unmittelbar vor Ort. So liegt ein betriebsbereit wirkendes Paketzentrum in Stade seit Herbst 2021 brach. Ein ursprünglich geplanter Amazon-Standort im Hafen in Lüneburg ist wohl Geschichte. Das wirft Fragen auf.
Amazon: Mehr als 2000 Beschäftigten in und auf der Veddel in Hamburg
Zieht sich das US-Unternehmen mit seinen Projekten aus dem Landkreis Harburg und dem Umland zurück? Und sind die aktuell mehr als 2000 Beschäftigten in Winsen und auf der Veddel in Hamburg von den massenhaften Stellenkürzungen bedroht?
Stellenabbau bei Amazon: Sprecher verweist auf Blogeintrag des CEO
Auf Abendblatt-Anfrage hält sich der US-Konzern bedeckt. Ein Sprecher verweist in Sachen Stellenabbau auf den Blogbeitrag des Amazon Geschäftsführers Andy Jassy (CEO) vom 5. Januar 2023. Darin kündigt Jassy den Abbau der 18.000 Stellen an. Verschiedene Teams seien betroffen, insbesondere in den Geschäftsbereichen „Amazon Stores“ und „People, Experience und Technology“. Medienberichten zufolge geht es insbesondere um Jobs im E-Commerce und in der Personalverwaltung.
In welchen Ländern die Streichungen in welcher Höhe vorgesehen sind und inwiefern Amazon Deutschland dabei eine Rolle spielt, geht aus dem Text nicht hervor. In Europa nehme Amazon mit den entsprechenden Arbeitnehmervertretungen ab dem 18. Januar Kontakt auf, heißt es von Jassy. Von der Logistiksparte ist in der Ankündigung keine Rede.
Logistikzentrum in Brandenberg wird von Amazon geschlossen
Die Nachfrage, ob ein Stellenabbau in der Logistik im Allgemeinen und im Verteilzentrum Veddel (um 100 Mitarbeiter) sowie im Logistikzentrum Winsen (rund 1950 Mitarbeiter) im Speziellen geplant sei, ließ Amazon unbeantwortet.
Wie das Recherchenetzwerk „Correctiv“ kürzlich öffentlich machte, schließt Amazon ein ganzes Logistikzentrum in Brandenburg (Brieselang). Der Grund: Der ältere Standort entspreche nicht mehr den Anforderungen. „Wir können diesen Standort technisch nicht mehr weiterentwickeln im Sinne unserer Mitarbeiterinnen, unserer Kunden und auch unserer generellen Geschäftsanforderungen“, heißt es von einem Sprecher.
Hintergrund ist auch der forcierte Einsatz von Robotik. Das Logistikzentrum in Brieselang war 2013 eröffnet worden. Gleichzeitig kündigte Amazon den Bau zwei neuer Logistikzentren in Deutschland mit etwa 2000 Arbeitsplätzen innerhalb der nächsten drei Jahre an.
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Wie gefährdet sind die Arbeitsplätze in Winsen und Veddel?
Ob das gute oder schlechte Nachrichten für Amazon-Beschäftigte in der Region sind, bleibt unklar.
Fakt ist: Das große Logistikzentrum in Winsen – eines von 20 sogenannten Fullfillment-Centern hierzulande – ist seit 2017 in Betrieb. Winsen war der erste deutsche Standort, der stark auf den Einsatz von Regalrobotern im Lager setzte. Die mobilen Roboter fahren dort autonom zu den Mitarbeitern („Picker“), die die Fächer von einem festen Standort mit der Ware bestücken.
Fakt ist auch: Für den Standort Winsen sind und waren seit Beginn 2023 zahlreiche Stellenanzeigen für Versand und Lager geschaltet. Und: Weder mit dem Winsener Betriebsrat noch mit der Gewerkschaft Verdi hat die Amazon-Leitung bislang Kontakt aufgenommen. Den Betriebsrat in Brieselang habe die Nachricht allerdings sehr kurzfristig und überraschend erreicht, heißt es aus der Winsener Arbeitnehmervertretung.
Paketzentrum auf der Veddel hat keine Betriebsrat
Deutlich weniger lässt sich über den kleineren Verteilstandort auf der Veddel sagen. Das Paketzentrum wurde 2018 mit rund 80 Mitarbeitern eröffnet. Einen Betriebsrat, der von der Geschäftsführung über Stellenkürzungen hätte informiert werden können, gibt es dort nicht. Auch der Verdi-Zuständige Lars-Uwe Rieck verfügt über keinerlei Informationen.
Von der Veddel aus starten die Auslieferungsfahrten („die letzte Meile“) im Gebiet zwischen Lüneburg, Buchholz, Buxtehude, Schwarzenbek und Bad Oldesloe sowie im gesamten Hamburger Stadtgebiet. Wie die Logistikkette von Amazon funktioniert, erfahren Sie hier.
Zukunft der Verteilzentren in Stade und Lüneburg ungewiss
Mit zwei weiteren solchen Verteilzentren in Stade und Lüneburg hatte Amazon offensichtlich einmal geplant, sein Logistiknetz in der Region zu verdichten. Dass das fertiggebaute Gebäude in Stade seit Herbst 2021 leer steht und in Lüneburg nach einer erteilten Baugenehmigung für einen Investor Mitte 2022 keine Aktivitäten zu verzeichnen sind, spricht eine klare Sprache.
Aus der Lüneburger Stadtverwaltung heißt es dazu: „Nach unserem aktuellen Kenntnisstand ist Amazon vorerst nicht mehr am Standort Lüneburg interessiert.“ Amazon formuliert vage: „Zu einem Verteilzentrum in Lüneburg haben wir keine Ankündigung gemacht. Wir prüfen kontinuierlich neue Standorte.“ Die Baugenehmigung ist drei Jahre lang gültig.
Etwas konkreter äußert sich der Konzern zu dem Stader Verteilzentrum: „Logistikprojekte brauchen Zeit, und der Starttermin wird von einer Vielzahl interner und externer Faktoren beeinflusst.“ Das Engagement für den Standort bleibe stark, ein konkretes Datum stehe nicht fest.
Amazon beliefert den Raum Stade von anderen Standorten aus
Aus der Antwort der Pressestelle wird aber auch deutlich, dass das Verteilzentrum in Stade nicht dringend benötigt wird: „Da wir die Entwicklung anderer Standorte in der weiteren Region beschleunigen konnten, verfügen wir über die Kapazitäten, damit Kund/-innen ihre Bestellungen in der Qualität erhalten, die sie von Amazon erwarten. “
Informationen aus Beschäftigten-Kreisen zufolge soll Amazon intern verkündet haben, die bisherigen Planungen für alle Neueröffnungen auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Amazon reagierte nicht auf eine entsprechende Abendblatt-Frage. Die jüngste Ankündigung zeigt jedenfalls, dass sich das Unternehmen derzeit auf neue Großstandorten fokussiert, statt kleinere Zentren zu eröffnen.