Buchholz. Beim Bundesliga-Heimturnier erreicht die Lateinformation aus der Nordheide erstmals den zweiten Platz. Sieger wird Grün-Gold-Club Bremen.

Es war dieser Moment, in dem man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Mucksmäuschenstill war es in der Nordheidehalle, die etwa 400 Zuschauer auf der Tribüne, die Ehrengäste am Rande der Tanzfläche und vor allem die Sportlerinnen und Sportler warteten gespannt auf das Urteil der sieben Wertungsrichter. Sechs Mannschaften hatten beim dritten Saisonturnier der 1. Bundesliga der Lateinformationen zum zweiten Mal an diesem Abend ihre Choreographien gezeigt. Die Auslosung der Startreihenfolge im großen Finale wollte es, dass die Spannung auf dem Parkett und auch bei der Urteilsverkündung maximal sein sollte.

Blau-Weiss Buchholz verdrängt die TSG Bremerhaven auf Rang drei

Schnell war klar, dass der Grün-Gold-Club Bremen, seines Zeichens Deutscher Meister und Weltmeister, auch das dritte Turnier mit der perfekten Bilanz von sieben Einsen gewinnen würde. Klar war auch, dass das 1. Latin Team Kiel auf dem vierten Platz landete. Nun ging es zwischen der TSG Bremerhaven und den Ausrichtern von Blau-Weiss Buchholz noch um den zweiten Platz. Die 16 Tänzerinnen und Tänzer von der Nordsee waren bei der Deutschen Meisterschaft im November und den ersten beiden Bundesligaturnieren jeweils vor Buchholz gelandet, vor zwei Wochen allerdings nur hauchdünn.

Beim Heimturnier tanzte die Lateinformation von Blau-Weiss Buchholz zum ersten Mal überhaupt auf den zweiten Platz. Sieger wurde der Grün-Gold-Club Bremen, Dritter die TSG Bremerhaven.
Beim Heimturnier tanzte die Lateinformation von Blau-Weiss Buchholz zum ersten Mal überhaupt auf den zweiten Platz. Sieger wurde der Grün-Gold-Club Bremen, Dritter die TSG Bremerhaven. © HA | Markus Steinbrück

Würde dem Nordheide-Team von Cheftrainerin Franziska Becker der so lange angestrebte Sprung auf den zweiten Platz in Deutschland gelingen? Als Moderator Andreas Neuhaus (Bremen) die sieben Wertungsrichter aufforderte, ihre Einschätzung für Blau-Weiss Buchholz abzugeben, gingen eine Vier und zwei Dreien in die Höhe. Viel wichtiger: es waren vier Zweien dabei. Damit war klar, dass Bremerhaven höchstens drei Zweien erhalten könnte. Buchholz in der Endabrechnung auf dem zweiten Platz – zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte Buchholzer Lateinformationen.

Vier Zweien von den Wertungsrichtern – da bricht unbändiger Jubel los

Manch einer benötige einige Sekunden, um das zu realisieren. Dann aber brach er los, der unbändige Jubel in der Nordheidehalle. Sportlerinnen und Sportler und das Trainerteam wussten gar nicht wohin mit ihren Gefühlen. Ohrenbetäubendes Kreischen, kräftige Umarmungen, ausgelassenes Hüpfen, spontane Hebefiguren und Paare, die fassungslos vor Freude am Boden kauerten – als das drückte die Bedeutung dieses Erfolges aus.

Inga Matura und Jelle Böttcher können den zweiten Platz kaum glauben und kauern fassungslos am Boden.
Inga Matura und Jelle Böttcher können den zweiten Platz kaum glauben und kauern fassungslos am Boden. © HA | Markus Steinbrück

Mittendrin mit feuchten Augen Cheftrainerin Franziska Becker, die sich vor Umarmungen kaum retten konnte – und auch nicht wollte. Sie und ihr Co-Trainer Christopher Voigt waren sich gegenseitig die ersten Gratulanten. Minutenlang lagen sie sich in den Armen und ließen den Emotionen freien Lauf.

Trainerin: „Nicht in Worte zu fassen, was uns dieser Moment bedeutet“

„Das kann man gar nicht in Worte fassen, was uns dieser Moment bedeutet. 2016 wurden wir das erste Mal Dritter in der 1. Bundesliga. Seitdem war es ein langer und steiniger Weg mit vielen Höhen und Tiefen“, sprudelte es aus Franziska Becker heraus, nachdem sie sich etwas gesammelt hatte. „Wir wussten alle, dass wir mit dieser jungen Mannschaft den richtigen Weg eingeschlagen haben. Dass wir hier und heute Zweiter werden, ist absolut großartig und fühlt sich an wie die beste Belohnung, die wir uns hätten vorstellen können. Es ist die Belohnung für all die harte Arbeit, die die Mannschaft und wir im Trainerteam vor und während der Corona-Pandemie geleistet haben.“

Die A-Formation von Blau-Weiss Buchholz war erst im vergangenen Jahr neuformiert worden und ist sehr jung. Bei der Deutschen Meisterschaft im November 2021 hatte das Team gerade so den Einzug in das große Finale geschafft und war Vierter geworden. Manch ein Beobachter sah Buchholz auch in der Bundesligasaison eher in Regionen zwischen Rang vier und sechs – und nun der zweite Platz hinter dem Weltmeisterteam vom Grün-Gold-Club Bremen.

Zwölf Talente im jungen A-Team tanzen ihre erste Erstligasaison

„Unser Erfolg ist gerade in diesem Jahr nicht hoch genug einzuordnen, da wir es geschafft haben, mit einer selten jungen Leistungsmannschaft zu überzeugen, in der sage und schreibe zwölf Talente stehen, die ihre allererste Bundesligasaison tanzen“, ergänzte Co-Trainer Christopher Voigt. Auch darin sind die besonders emotionalen Reaktionen begründet. „So habe ich Franziska Becker noch nie erlebt. Für sie geht ein Traum in Erfüllung“, sagte Arno Reglitzky, der Vorsitzende von Blau-Weiss Buchholz.

Trainerin Franziska Becker geht am Rande der Tanzfläche bei der Choreographie mit.
Trainerin Franziska Becker geht am Rande der Tanzfläche bei der Choreographie mit. © HA | Markus Steinbrück

Coronabedingt hatten das B-Team aus Bremen und der TTC Bochum auf die Teilnahme am Turnier in Buchholz verzichtet. Die sechstplatzierte TSG Backnang trat nur mir sechs statt der üblichen acht Paare an, TSC Residenz Ludwigsburg wurde Fünfter. Bereits in der Vorrunde hatten die acht Tänzerinnen und acht Tänzer von Blau-Weiss Buchholz zur Choreographie „Million Voices“ unbedingten Leistungswillen demonstriert und den Einzug ins Finale der besten Vier geschafft. Eine Reihenfolge nach der Vorrunde wird nicht bekannt.

Gastgeber bleiben unbeeindruckt von Fehlern bei der Bodenpirouette

Im Finale zeigten die Buchholzer wieder eine sehr gute Leistung, allerdings mit einer Schrecksekunde, als zwei Paare in der Bodenpirouette das Gleichgewicht verloren. Doch die frenetisch angefeuerten Gastgeber ließen sich nicht aus dem Rhythmus bringen und schafften es, in der zweiten Hälfte der Kür umso mehr zu überzeugen. Da die Konkurrenz aus Bremerhaven ebenfalls mit ihren Höchstschwierigkeiten zu kämpfen hatte, fiel der Fehler des Blau-Weiss-Teams nicht so stark ins Gewicht wie befürchtet.

Organisationsteam schuftete an zwei Tagen jeweils 18 Stunden

Die schwierigen Rahmenbedingungen, ein solches Formations-Wochenende mit vier Turnieren an zwei Tagen in Zeiten einer Pandemie zu bewältigen, stellte das Organisationsteam um Abteilungsleiter Olaf Steffen und Daniela Petersen vor große Herausforderungen. „Zwei 18-Stunden-Turniertage mit Mannschaften, Zuschauern und Hygienekonzept unter einen Hut zu bringen, war wohl eine der größten Aufgaben“, sagte Steffen. „Dass dann aber endlich wieder eine tolle Turnieratmosphäre mit Live-Publikum herrschte, hat uns alle für den enormen Aufwand entschädigt.“