Woxdorf/Hittfeld. Für die Freien Wähler geht Timo Röntsch ins Rennen ums Bürgermeisteramt. Er fordert eine mobile Verwaltung und begrenztes Wachstum.

Das dörfliche Leben stärken und die Digitalisierung vorantreiben – diese beiden Schwerpunkte will Timo Röntsch setzen, sollte er im September den Sprung auf dem Chefsessel im Hittfelder Rathaus schaffen. Für den Bürgermeisterkandidaten des Vereins Freie Wähler Seevetal ist das kein Gegensatz, sondern eine logische Ergänzung.

Der Erhalt der Dörfer und der ländlichen Struktur sei wichtig für Seevetal, sagt der 39-Jährige, der seit acht Jahren in Woxdorf wohnt. Dort stehen auch die vier Ponys seiner Frau auf einer Weide, hin und wieder drehen die beiden eine Runde mit der Kutsche. Geboren in Winsen, verbrachte Timo Röntsch einige Jahre in Hittfeld und lebte dann lange in Emmelndorf. Er spielt Fußball in Fleestedt, ist als Schiedsrichter tätig und engagiert sich im Schützenverein sowie bei der Feuerwehr. Und er ist gegen ein Zusammenwachsen der Dörfer. „Jedes Dorf muss sich seine Identität erhalten.“

Von der Digitalisierung könnte Seevetal profitieren

In der Digitalisierung sieht er viele Vorteile, von denen auch Seevetal profitieren könnte. Vor allem in der Verwaltung würde er das digitale Denken in den Mittelpunkt stellen. „Alle regelmäßigen Abläufe könnte man so standardisieren, dass sie automatisch ablaufen“, sagt der Wirtschaftsingenieur, der bei der Hamburger Hochbahn Informatikkaufmann gelernt hat und viele Jahre in der Verwaltung des Unternehmens gearbeitet hat. Mittlerweile ist er in die freie Wirtschaft gewechselt. „Jetzt bin ich auf der Dienstleisterseite und finde Lösungen für die Kunden“, beschreibt er seine Aufgaben als Leiter des Hamburger Standorts einer Kölner IT-Software- und Beratungsfirma.

Lesen Sie auch:

In der Gemeindeverwaltung gebe es bereits viele kompetente Fach- und Führungskräfte, sagt Timo Röntsch: „Der Bürgermeister ist der Kapitän auf diesem Dampfer. Das Ziel muss sein, durch Digitalisierung das Leben für die Bürger einfacher zu machen.“ Auch die in Seevetal lebenden Menschen versteht er als Kunden – und den Bürgermeister als Dienstleister. So würde er in diesem Amt die Kommunikation stärker als Dialog gestalten und selbst über verschiedene Kanäle ansprechbar sein. Noch herrsche zu häufig eine „Einbahnstraßenkommunikation“, meint Timo Röntsch. „Das ist wenig transparent.“

So sei es wichtig, darüber zu diskutieren, wo bei geplanten Projekten gespart werden könne. Das betreffe zum Beispiel die Begrünung von Verkehrsinseln, aber auch größere Projekte wie eine Rathauserweiterung, die der Kandidat entschieden ablehnt. In Zukunft sollten die Verwaltungsmitarbeiter unabhängig vom Standort arbeiten können. „Durch andere Arbeitsmodelle macht man eine Erweiterung überflüssig“, sagt der Unternehmensberater, der selbst derzeit im Homeoffice arbeitet. So sei es denkbar, dass die Mitarbeiter künftig nur bei Bedarf ins Büro kämen und dort mit ihren Notebooks arbeiteten.

Ansiedlung von klein- und mittelständischen Betrieben

Mit einer besseren digitale Infrastruktur wäre es auch einfacher, Firmen in Seevetal anzusiedeln, meint Timo Röntsch. Dabei setzt er eher auf kleine und mittelständische Unternehmen. „Mit einem großen Steuerzahler geht man auch ein großes Risiko ein. Es ist besser, die Einnahmen auf möglichst viele Quellen zu verteilen.“ Eine andere Möglichkeit, Kosten zu sparen, sei die Baulandbevorratung. Auf eigenen Grundstücken könne die Gemeinde kostengünstiger bauen, als wenn ein Investor beteiligt werden müsse.

Bei den Einnahmen vor allem auf die Ausweisung neuer Baugebiete zu setzen, lehnt der unabhängige Kandidat allerdings ab. „Natürlich muss Seevetal wachsen, aber organisch und nicht durch große neue Baugebiete“, sagt er. So könnten zum Beispiel Baugrenzen verschoben werden, sodass auf Grundstücken in bereits besiedelten Gebieten neue und mehr Baumöglich­keiten entstehen.

Auch müsse immer der Ausbau der Infrastruktur mitgedacht werden, sagt Timo Röntsch und nennt als Beispiel Fleestedt. Zögen in das dort geplante Wohngebiet hunderte Familien ein, wäre die örtliche Grundschule überfordert. Ähnliche sehe es bei Kitaplätzen in der Gemeinde aus.

„Unsere Probleme lösen wir nicht mit noch mehr Einwohnern."

„Zuerst müssen wir den jetzigen Bedarf decken, bevor wir weitere Nachfrage schaffen“, sagt Timo Röntsch. „Unsere Probleme lösen wir nicht mit noch mehr Einwohnern. Das Ziel muss sein, Seevetal für die Seevetaler so zu gestalten, dass sie gern hier leben.“ Dafür müsse auch der Nahverkehr zwischen den einzelnen Ortschaften verbessert werden, zum Beispiel durch Shuttle-Angebote, die Ausweitung des Anruf-Sammel-Taxis oder sogenannten Mobilitätspunkte mit Car-Sharing-Stationen und Elektro-Lastenrädern zum Ausleihen. „Wir müssen die Hürde, das eigene Auto abzuschaffen, möglichst niedrig ansetzen“, sagt der Kandidat.

Seit er sich im Ortsrat engagiert, seien viele seiner Anträge abgelehnt worden, sagt Timo Röntsch. Auch das habe ihn motiviert, nun bei der Bürgermeisterwahl anzutreten. „So wie es aktuell läuft, stelle ich mir die weitere Entwicklung der Gemeinde nicht vor. Wir müssen in Seevetal endlich mal den großen Sprung wagen.“ Auch im Wahlkampf wird er sonnabends den Ausgleich zum Schreibtisch suchen, beim Mountainbiken, Laufen oder Motorradfahren. Seinen Urlaub verbringt Timo Röntsch gern an der Ostsee oder auch in Brandenburg auf einem gemieteten Boot. „Das ist total entspannend“, sagt der Digitalisierungsexperte. „Ganz ohne Netz.“

Diese fünf Kandidaten treten an:

  • In der Gemeinde Seevetal wird am 12. September 2021 – zeitgleich mit der Kommunalwahl – ein neuer Bürgermeister für die kommenden fünf Jahre gewählt. Martina Oertzen (CDU), die das Amt im Oktober 2013 übernommen hat, tritt nicht erneut an.
  • Zur Wahl stehen diesmal fünf Kandidaten: Manfred Eertmoed (SPD) aus dem Landkreis Aurich, Emily Weede (CDU) aus Karoxbostel, Thilo Bock (Grüne) aus Meckelfeld, Timo Röntsch (Freie Wähler) aus Woxdorf und Jens Schnügger (FDP) aus Fleestedt.
  • In Niedersachsen werden die Hauptverwaltungsbeamte, wie Bürgermeister und Landräte, direkt gewählt. Erhält bei der Wahl kein Bewerber mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten. Dann gewinnt der- oder diejenige mit der relativen Stimmenmehrheit.
  • Kandidieren dürfen alle Personen, die mindestens 23 Jahre, aber noch nicht 67 Jahre alt sind und die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates der Europäischen Union besitzt. Eine besondere Vor- oder Ausbildung ist nicht erforderlich.