Hamburg. „Investoren treiben die Wohnungspreise“, sagt HCU-Professor Knieling. Volksinitiative hat genügend Unterschriften für nächste Stufe.

Der renommierte Stadtplanungsexperte Prof. Jörg Knieling hat scharfe Kritik am aktuellen Wohnungsbauprogramm des rot-grünen Senates geübt. Sowohl die Größenordnung von 10.000 Wohnungen pro Jahr als auch die Art und Weise, in der der Senat den Wohnungsbau an Investoren vergebe, seien problematisch, sagte der Professor für Stadtplanung der HafenCity-Universität (HCU) bei einer Diskussionsveranstaltung der Naturschutzbundes Nabu.

„Wir haben in den letzten 20 Jahren eine Investorenkultur beim Wohnungsbau herausgebildet, und Investoren sind natürlich eine Klientel, die hier Geschäfte machen will“, sagte Knieling. „Es muss schon ernsthafter die Frage gestellt werden, ob man das Modell der ­investorenorientierten Wohnungsentwicklung wirklich als Zukunft für Hamburg sieht. Denn letztlich wird so sehr hochpreisig gebaut, es wird versucht, Renditen abzuschöpfen – das hat nichts mit bezahlbarem Wohnraum zu tun.“

„Man könnte viel kreativer sein"

Als Alternativen komme eine stärkere Förderung des öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus infrage, so Knieling. „Man könnte auch neue städtische Wohnungsbauträger gründen, wie es andere Städte machen. Man könnte viel kreativer sein und die Fläche, solange das nicht möglich ist, erst einmal zurückhalten.

Sonst scheidet sie dauerhaft aus der Verfügungsgewalt der Stadt aus.“ Die von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz vorgegebene Zahl von 10.000 Wohnungen pro Jahr sei „Symbolpolitik, mit der der Bürgermeister seine Durchsetzungskraft zeigen wollte“, sagte der HCU-Professor. „Ich würde mir wünschen, dass ein neuer Bürgermeister in der Lage ist, wesentlich dialogorientierter über diese Fragen zu diskutieren. Der Dialog muss schon darum gehen: Wollen wir 10.000 neue Wohnungen jedes Jahr?“ Seit dem Jahr 2000 seien 1300 Hektar neu versiegelt worden, das sei achtmal die Fläche der Außenalster. Der Stadtplaner regte an, den Flughafen aus Hamburg herauszuverlegen, und die Flächen für den Wohnungsbau zu nutzen. Auch im Hafen gebe es sehr viele untergenutzte Flächen.

Auch im Hafen viele untergenutzte Flächen

Der Stadtplaner regte an, den Flughafen aus Hamburg herauszuverlegen, und die Flächen für den Wohnungsbau zu nutzen. Auch im Hafen gebe es sehr viele untergenutzte Flächen. Kritik übte Knieling an der Verkehrspolitik. „Die HafenCity ist ein Auto-El-Dorado geworden“, so Knieling. „Wenn man Gästen sagt, guckt euch das neue Städtebauprojekt an, dann fragen die: wie, was? 60er-Jahre? Das sind ja nur Autostraßen.“ Die Stadt versuche gar nicht, nach Alternativen zum Auto zu suchen.

Besonders kritisch ging Knieling mit der aus seiner Sicht mangelhaften Zusammenarbeit in der Metropolregion ins Gericht. „Sie hat keinerlei Planungswirksamkeit. Sie hat nicht mal mehr ein Entwicklungskonzept“, so der Professor. „Es gibt mittlerweile Studien der OECD, die zeigen, dass fragmentierte Räume, in denen Kernstadt und Umland nicht gut miteinander verbunden sind, sogar wirtschaftliche Nachteile haben.“

Entfesselte Kapitalisten

Das Risiko gehe man sehenden Auges ein, weil Hamburg auf sich selbst setze. „Die Me­tropolregion ist ein Gremium, wo man sich nett trifft. Ich würde anderes erwarten: gemeinsame Planung von Wohnungsbau, einen gemeinsamen Masterplan“, so Knieling. Positive Beispiele seien der Frankfurter Raum oder die Kooperation im Rhein-Neckar-Gebiet.

Der Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde, Matthias Kock, sagte bei der Diskussion, er sei „immer für eine bessere Kooperation im Rahmen der Metropolregion. Ich glaube, die scheitert weniger an Hamburg.“ Die Kritik am Bau mit Investoren wies Kock zurück. „Ich wehre mich gegen das Bild, hier würden entfesselte Kapitalisten sich einkaufen. Es werden große Teile der Wohnungen von der Saga gebaut. Wir haben Genossenschaften, denen 130.000 Wohnungen gehören“, so der Staatsrat. „Es ist auch nicht so, dass alle privaten Vermieter böse Buben sind, die nichts anderes als ihren Profit im Auge haben. Gott sei dank ist es in Hamburg so, dass es diese Auswüchse mit Heuschrecken nicht gibt wie in anderen Städten.“

Sogenannte Konzeptausschreibungen

Die Stadt verkaufe an die Saga oder mit sogenannten Konzeptausschreibungen, so Kock. „Damit verlangen wir Konzepte von den Investoren, die sinnvoll für die Stadtentwicklung sind. Richtig ist, dass wir mehr darüber nachdenken müssen, im Erbbaurecht den dauerhaften Zugriff auf den Grund und Boden der Stadt zu behalten.“

Die Stadt müsse Zuwanderern genug Raum bieten. „Wir müssen wachsen, weil die Leute hierher wollen“, so Kock. „Wer in Hamburg wohnen will, der muss die Option haben. Wir können und wollen die Freiheitsrechte nicht einschränken.“ Die Stadt müsse „Zuwanderung ermöglichen, im Hinblick auf Infrastruktur, Lebensqualität, Arbeitsplätze“ und eine „Bleibe, die menschenwürdig und bezahlbar ist“, so der Staatsrat. Er sehe seine Aufgabe darin, das Grün gleichzeitig zu erhalten.

Bau von Einzelhäusern verhindern

Nabu-Vorstand Alexander Porschke sagte, es sei kein „Menschenrecht, eine bezahlbare Wohnung in Blankenese oder Ottensen zu finden“. Unbegrenzter Wohnungsbau sei nicht möglich. „Eine Stadt ist irgendwann voll und zugebaut“, so Porschke. Es sei falsch, allen, die kommen wollten, ein bezahlbare Wohnung zu versprechen, „oder sollen jetzt alle Chinesen in Hamburg wohnen?“, fragte der Nabu-Chef. „Wenn die Siedlungsräume voll sind, muss man über die Stadtgrenzen hinaus planen statt Grünflächen zuzubauen.“

HCU-Professor
Jörg Knieling
erhofft sich von
einem neuen
Bürgermeister
mehr Dialog beim
Thema Bauen
HCU-Professor Jörg Knieling erhofft sich von einem neuen Bürgermeister mehr Dialog beim Thema Bauen © Jörg Knieling

Angesichts der Zuwanderung müsse Hamburg den Bau von Einzelhäusern verhindern. Zugleich könne man den Sog verringern, indem man Lebensbedingungen auf dem Lande verbessere, so Porschke. Auch dürfe Hamburg nicht alles an sich ziehen – wie die Husumer Windmesse oder möglichst viele Container aus Wilhelmshaven.

Anlass der Debatte war die Nabu-Volksinitiative. Damit soll der heutige Grünanteil an Hamburgs Fläche festgeschrieben werden. Schon jetzt haben die Naturschützer mehr Unterschriften als die für die Initiative nötigen 10.000 gesammelt. Ihr Ziel ist ein Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl 2020.