Hamburg. Bis zu 100.000 Wohnungen könnten an Magistralen entstehen. Grüne: Lärm und Luftbelastung bald kein Problem mehr.
So viel Einigkeit herrscht selten in der Bürgerschaft: Bis auf die AfD begrüßten am Mittwochabend alle Fraktionen die Pläne von SPD und Grünen, auch an den großen Hauptstraßen den Wohnungsbau voranzutreiben. Wie berichtet, haben die Regierungsfraktionen den Senat aufgefordert, das Baupotenzial entlang der großen vier- und sechsspurigen Verkehrsachsen (Magistralen) zu prüfen.
Hintergrund ist eine Untersuchung aus Altona, nach der allein in diesem Bezirk Platz für 20.000 neue Wohnungen beidseits der Magistralen wäre. Dabei könnten nach Schätzung des Grünen-Stadtentwicklungspolitikers Olaf Duge, der den Antrag federführend formulierte, in den kommenden zehn bis 15 Jahren bis zu 100.000 Wohnungen entstehen. Zur Umsetzung sollen der Stadt Vorkaufsrechte eingeräumt werden. Wie viele Wohnungen entstehen, hängt auch von der Bereitschaft aktueller Grundeigentümer zu Kooperation oder Verkauf ab.
Anwohner von großen Straßen werden künftig weniger belastet
„Hamburg hat ein Dutzend solcher Magistralen“, sagte Duge am Mittwochabend in der Bürgerschaft. Die Stadt müsse frühzeitig handeln, die Potenziale identifizieren und die Eigentümer zu Modernisierung oder Verkauf drängen. Ziel ist es, an den Magistralen höher zu bauen und dort, wo heute etwa Flachdach-Discounter mit großen Parkplätzen viel Platz verbrauchen, Wohnraum entstehen zu lassen. Anwohner von großen Straßen würden künftig weniger belastet, so Duge. „In zehn bis 15 Jahren wird Mobilität nicht mehr mit stinkenden Dieseln funktionieren.“
Zudem werde es mehr Radwege und besseren Schallschutz geben. Auch wenn Wohnungsbau an großen Straßen „auf den ersten Blick unverständlich erscheint, wird er auf den zweiten Blick zu einer Chance zur Verbesserung der Lebensqualität“, so Duge. Denn, so die Botschaft: Durch Nachverdichtung wird die Bebauung von Grünflächen vermieden.
Dirk Kienscherf, Stadtentwicklungspolitiker der SPD, sagte in der Debatte, die Wohnungen würden „von so hoher Qualität, dass es nicht gesundheitsgefährdend“ sei, dort zu wohnen. Die SPD wolle eine „Stadt für alle“, in der das Wohnen bezahlbar bleibe. SPD-Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt betonte, man müsse „in langen Zeiträumen denken“ und Eigentümer von den Plänen zu überzeugen.
Weitere Beratung im Stadtentwicklungsausschuss
Der CDU-Abgeordnete Jörg Hamann verwies darauf, dass Rot-Grün mit dem Vorhaben eine Idee der CDU aufgegriffen habe. Linken-Politikerin Heike Sudmann nannte den Ansatz richtig. Allerdings müsse die Politik auch diejenigen in den Blick nehmen, die schon jetzt an großen Straßen wohnten und unter Lärm und Luftbelastung litten.
Der FDP-Abgeordnete Jens Meyer warf der SPD vor, sich einer öffentlichen Debatte über die Gestaltung des Hamburger Wachstums zu verweigern. „Sie sollten ihre Konzepte nicht nur mit den Bezirken, sondern auch gemeinsam mit den Bürgern prüfen“, so Meyer. „Das würde die Akzeptanz erhöhen.“ AfD-Politiker Detlef Ehlebracht sagte, das Konzept stehe für „ideologisches Scheuklappendenken.“ Es sei falsch, Hamburg nur in seinen Landesgrenzen zu betrachten.
Der Antrag wurde beschlossen und zur weiteren Beratung in den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen.