Hamburg. Eggert Voscherau rührte die 800 Trauergäste im Thalia Theater mit einer emotionalen Rede. Das Abendblatt dokumentiert Auszüge.
Bei der Trauerfeier für den früheren Ersten Bürgermeister Henning Voscherau am Freitag im Thalia Theater hielt dessen kleinerer Bruder Eggert Voscherau eine bewegende Rede. Vor allem die Erinnerungen an die Kindheit in eben jenem Theater am Gerhart-Hauptmann-Platz, in dem Vater Carl Voscherau von 1946 bis 1963 Mitglied des Ensembles, war, rührte viele der rund 800 geladenen Gäste zu Tränen. Dennoch brachte Eggert Voscherau das Kunststück fertig, die Trauergäste mit Anekdoten aus dem Familienleben mehrfach zum Schmunzeln zu bringen. Das Abendblatt dokumentiert Auszüge aus seiner Rede:
„Henning war weit über Hamburg hinaus für viele ein großes Vorbild. Die Familie verabschiedet sich heute nicht von dem Politiker, sondern von dem Ehemann, Vater und Bruder, der genau am Todestag unseres Vaters, am 24. August, auch wie unser Vater, viel zu früh von uns genommen wurde.“
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„Der Staatsakt findet im Thalia Theater an einem Ort statt, der für Henning und mich eine ganz besondere Bedeutung hat. Wir sind in diesem Theater praktisch aufgewachsen.“
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Hier geht es zum Bericht über die Trauerfeier
„Wir waren wären der Proben häufig in seiner Garderobe. Da gab es noch kein Fernsehen, da gab’s kein Internet, da war Schauspiel etwas Faszinierendes. ... Die gesamte Schauspielszene Deutschlands, in Hamburg vereint, schwärmte an uns Knirpsen vorbei. Faszinierend, kein Name fehlte. Bis heute allerdings ist besonders Schnubbelwubbel in unserer Erinnerung wach geblieben, denn er war neben der Regie für das Öffnen dieses Vorhangs bei den jährlichen Weihnachtsmärchen im Thalia verantwortlich. Sein Spruch, ,Vorhang, hör’, wir bitten Dich, öffne, öffne, öffne Dich’, wurde von der versammelten Kinderschar, einschließlich Henning und Eggert, ... so lange gerufen, bis meist die Märchen der Gebrüder Grimm auf der Bühne erschienen. ... Und hier nun der Staatsakt für Henning, und ich stehe dort, wo Schnubbelwubbel, unser Vater, immer stand – da muss ich Luft holen.“
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„1952 wurden wir Mitglied im Klipper, fünf Minuten von unserem Elternhaus, am Rande von Kornfeldern. ... Annerose Schüler stieß am 28. Januar 1961 dazu, Silvester 1967 gab es nicht nur Feuerwerk am Himmel, sondern im Clubhaus auch zwischen Henning und ihr. Und: Einen Voscherau zu heiraten, ist nicht so einfach, wie es klingt.“
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„Damit nicht der Eindruck entsteht, dass bei der Voscherau-Familie nur Hockey gespielt wurde, sei gesagt, dass Henning 1961 an der Uni Hamburg mit dem Studium begann. Geprägt von Karl Schiller, startet er mit Volkswirtschaft, besuchte nebenher aber auch juristische Vorlesungen. ... Henning liebte in dieser Zeit die Kaffeestunden bei den vielen schönen Pädagogikstudentinnen. ... Die jungen Mädchen liebten ihn. Wörtlich: ,Henning hat viel mehr Einfühlungsvermögen als ihr alle, und er sagt vernünftige Sachen.’ Das hat er sich bis heute erhalten.“
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„Trotz seines Ausflugs in die Politik war er für mich in seinem Selbstverständnis immer Hamburgischer Notar. ... Trotz der Liebe zu seinem Beruf war eines für Henning wohl noch wichtiger: der Dienst an seiner Stadt und ihren Bürgern. Deswegen der Schritt in die Politik. Fast zehn Jahre das Amt des Ersten Bürgermeisters mit seiner Faszination, daher von ihm so geliebt, mit alle seinen Anspannungen und Konflikten – das war für eine so gradlinige Person ein Herausforderung und machte den Umgang mit ihm manchmal nicht einfach.“
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„Mir bleiben viele Erinnerungen, mein großer, kleiner Bruder. Und weil unsere Verbindung ein ganzes Leben lang so eng war, bist du nicht verloren. Niemals. Du bleibst und wirst weiterhin geliebt. Das hört nicht auf.“
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Erinnerungen von Voscheraus Weggefährten
„Auch als wandelndes Lexikon wird er uns fehlen. .. Man hätte ihn zu jeder Nachtzeit wecken können und er wäre in der Lage gewesen, eine Staatsrechts- oder Geschichtsvorlesung zu halten, und zwar wahlweise auf Hoch- oder Plattdeutsch, feinstem Oxford-Englisch oder auf Latein. Das mag sich wie Seemannsgarn anhören, ist aber von uns allen so empfunden worden.“
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„1997 entschied Henning sich gegen eine weitere Amtszeit und für eine Rückkehr ins Notariat, jetzt am Alstertor. Als Politiker hat er zu seinen Überzeugungen gestanden und hielt nicht an dem von ihm so geliebten Amt fest. Das ist ihm sehr schwer gefallen, auch noch lange danach. Der Abschied aus der aktiven Politik hat ihm und der ganze Familie jedoch auch gut getan, da mit dem Amt auch viel Druck abgefallen ist. Er war danach immer entspannter und gelassener und sein Fokus hat sich Jahr für Jahr graduell aufs Private verschoben.“
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„Henning beim Umgang mit seinen Enkeln zu beobachten, war herzerwärmend. Stundenlang hat er mit ihnen auf dem Boden des Wohnzimmers gespielt, ihnen vorgelesen, mit ihnen im Garten getobt und mit ihnen Ausflüge unternommen. Man konnte ihm ansehen, dass er dabei das reine Glück empfunden hat.“
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„Begonnen habe ich mit unserem Vater, der für Henning und mich und Kindergenerationen mit den Worten ,Vorhang, hör’, wir bitten Dich, öffne, öffne, öffne dich’ den Vorhang dieser Bühne für Kinder öffnen ließ. Nun senkt er sich nach einer kurzen Würdigung für seinen ältesten Sohn zum letzten Mal. Ich hoffe, Ihr trefft Euch, im Beisein von unserer Mutter.“