Seit dem Ausbruch von Covid-19 und der Abschottungspolitik Schleswig-Holsteins gilt der Ministerpräsident als Underperformer.

In der Krise zeigt sich der wahre Charakter, wusste der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er, der durch sein souveränes wie eigenmächtiges Verhalten als Hamburger Innensenator bei der Sturmflut 1962 zum Helden avancierte, gilt seitdem als Macher – und als Maßstab für Regierungshandeln in schweren Zeiten.

Gemessen an dem Langenhorner verblassen derzeit viele Politiker: Manche wirken wie Cowboys oder Schauspieler, die vorpreschen, um Führungsstärke zu zeigen und sich in der Coronakrise für höhere Aufgaben zu qualifizieren – dazu gehört vor allem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Andere hingegen versuchen, leise zu führen und Vertrauen zu schaffen. In diese Kategorie gehört Kanzlerin Angela Merkel, aber auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher. Wohl nie zuvor war eine medizinische Ausbildung so wertvoll wie in diesen Coronatagen.

Und dann gibt es eine dritte Kategorie – die der Ministerpräsidenten, die in der Krise gewogen und für zu leicht befunden werden. Dazu gehört bislang Schleswig-Holsteins Spitzenpolitiker Daniel Günther. Der CDU-Ministerpräsident mit dem jungenhaften Charme macht in der Krise keine überzeugende Figur. Geschick und Glück brachten den 46-Jährigen ins Amt. Nach seinem überraschenden Wahlsieg 2017 gelang Günther nicht nur die Bildung einer geräuschlos arbeitenden schwarz-grün-gelben Landesregierung, sondern auch eine beachtliche Performance.

Grenzstreit in Schleswig-Holstein ist eine Provinzposse

Seit dem Ausbruch von Covid-19 aber gilt Günther, man muss es so hart sagen, als Underperformer: Der bizarre Grenzstreit mit Hamburg, den der CDU-Politiker mal aktiv anheizt, mal passiv laufen lässt, ist längst mehr als eine Provinzposse. Er wächst sich zu einem Ärgernis aus, welches das in Jahrzehnten gewachsene Vertrauen erschüttert und die Beziehungen zwischen Metropole und Umland noch belasten könnte, wenn die Coronakrise längst ausgestanden ist.

Die Räumung der Urlaubsinseln Mitte März mag man wegen mangelnder intensivmedizinischer Kapazitäten noch nachvollziehen, auch wenn sie sicherlich etwas weniger lautstark hätten durchgesetzt werden können.

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Schon der Streit um die Zweitwohnungen, mit denen und von denen das Bundesland sonst gut lebt, war für Außenstehende schwerer verständlich. Und die Kontrolle an Schleswig-Holsteins Landesgrenzen, die am vergangenen Wochenende groteske Formen angenommen hat, kannte man seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr. Schlimmer noch: Sie sind auch wissenschaftlicher Unfug. Längst sind Deutschland und Europa ein „durchseuchtes Gebiet“ – anstecken kann man sich überall.

Das Vertrauen ist schnell zerstört

So erinnern die Maßnahmen eher an Polittheater, weil sie wenig bringen, aber Führungsstärke simulieren sollen. Dass es auch anders geht, zeigen die Niedersachsen. Günther hingegen will auch am Osterwochenende wieder kontrollieren. Manche Bürger im Norden mögen sich ein hartes Vorgehen gegen die reichen Städter aus Hamburg wünschen; spätestens nach der Krise muss man aber wieder zusammenarbeiten, zusammenleben, zusammen Geschäfte machen. Vertrauen ist schnell zerstört, aber ungleich schwerer wieder aufzubauen.

Die Herausforderungen von Covid-19 wird man mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln nur bedingt meistern können. Man muss die Menschen überzeugen, um sie zu Verhaltensänderungen zu motivieren. Da scheint der unaufgeregte Weg des Mediziners Tschentscher Erfolg versprechend. Wie sagte schon Helmut Schmidt: „Wenn anderen heiß wird, werd ich kalt. Wenn andere kalt werden, werde ich eiskalt.“