Hamburg. Die Stadt hat ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt – und gezeigt, dass die Mehrheit doch nicht schweigt, wenn es darauf ankommt.

Ich weiß nicht, wie oft dieser Satz am Sonntag gesagt wurde – aber er bringt auch meine Gedanken auf den Punkt, wenn es um die gigantische Demonstration gegen Rechtsextremismus geht: Das ist mein Hamburg!

Wenn es darauf ankommt, steht diese Stadt zusammen und auf, und das in einer Art und Weise, die beeindruckend ist. Man ist als Hamburger ja oft stolz auf Hamburg, aber angesichts der unzähligen Menschen auf den Straßen ist das diesmal auch voll und ganz angebracht.

Demonstration gegen Rechtsextremismus in Hamburg: Menschenmassen senden eine klare Botschaft

Dass Klimaaktivistin Luisa Neubauer die Proteste gegen Rechtsextreme mit den Anfängen von Fridays for Future vergleicht, ist, gerade wenn man nach Hamburg schaut, berechtigt. Aus dem, was mit der ersten Demonstration am Jungfernstieg begonnen hat und gestern mit einem noch größeren Protestzug durch die Innenstadt fortgesetzt wurde, kann nicht nur etwas Großes werden – es ist jetzt schon etwas Großes. Und es zeigt, dass nicht nur die Demokratie, sondern auch der Bürgersinn in Hamburg in Takt ist.

Während ich diese Zeilen schreibe, ziehen die Menschenmassen ununterbrochen am Großen Burstah vorbei, und mir tun die leid, die schätzen müssen, wie viele es sind. Aber ob nun 50.000, 100.000 oder 150.000 – viel wichtiger ist doch: Sie sind entschlossen. Den Hamburgerinnen und Hamburgern, die am Sonntag auf die Straße gegangen sind, geht es nicht nur darum, einmal ihren Unmut oder gar ihre Wut über rechtsextremistische Auswüchse in Deutschland oder die AfD zu zeigen. Sie sind bereit, die Demokratie und damit die Freiheit zu beschützen, und demonstrieren, dass die Mehrheit nur vermeintlich schweigsam ist.

Wir selbst haben es in der Hand, was aus der Zukunft wird

Das ist ein gutes Zeichen in einer Zeit, in der es so viele schlechte Nachrichten gibt und in der man sich fragt, wer uns aus diesen vielen Krisen herausführen soll. Die Antwort ist am Sonntag gegeben worden: Wir selbst haben es in der Hand, aus der Zukunft etwas anderes und Besseres zu machen, als das, was sie uns derzeit erscheint.

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Dinge wie Rechtsextremismus, Rassismus und Umsturzgedanken sind damit nicht weg, wie auch. Aber diejenigen, die sich damit beschäftigen, dürften jetzt eine Ahnung davon bekommen haben, wie groß der Widerstand ist – und wie wehrhaft die Gesellschaft, in der wir alle leben. Demokratiemüdigkeit sieht auf jeden Fall anders aus.

Großdemo in Hamburg: Das Verbindende ist wichtiger als das Trennende

Hamburg hat einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, was es heißt, wenn die Herrschaft vom Volk ausgeht. Das war in unserer Stadtrepublik schon immer der Fall; es waren und sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Freiheit erstritten haben und die sie verteidigen, wenn sie in Gefahr gerät. Das ist in Hamburg vornehmste (und derzeit vordringlichste) Aufgabe des Souveräns und etwas, was man nicht an gewählte politische Vertreter delegieren kann.

Eine Stadt und ein Gemeinwesen sind nur so stark wie ihre beziehungsweise seine Menschen. Das ist keine neue Erkenntnis, heißt aber für Hamburg: Hier ist die Welt in Ordnung, von hier aus werden starke Zeichen in den Rest der Republik gesendet. Zeichen, bei denen es um Selbstbewusstsein, um Klarheit und Widerstandsfähigkeit geht. Und vor allem darum, dass wir uns alle bemühen, nicht das, was uns trennt, in den Vordergrund zu stellen, auch wenn es davon gerade in einer Stadt wie Hamburg sehr viel gibt. Jetzt kommt es auf das an, was uns verbindet. Und da scheint es, siehe Sonntag, etwas zu geben, was so viel stärker ist, als es viele Menschen gedacht haben mögen.