Alle weiterführenden Schulen müssen sich an der Integration geflüchteter junger Menschen beteiligen.
Zu sagen, was ist, auch wenn’s brenzlig werden könnte, ist notwendig. So begrüße ich die Abendblatt-Berichterstattung zur Beschulung der geflüchteten jungen Menschen und der sich daraus ergebenden Überlastung unserer Stadtteilschulen, weil an ihnen derzeit fast ausnahmslos der Übertritt aus einer Internationalen Vorbereitungsklasse (IVK) in eine Regelklasse realisiert wird. Sie tragen also die Verantwortung für die Integration nahezu alleine und überschreiten oft ihre Kapazitäten.
Bildung in Hamburg: Schulen nicht sich selbst überlassen
Doch so wichtig es ist, diese Probleme zu benennen, so dringend erforderlich ist es seitens der politisch Verantwortlichen, tragfähige Lösungen anzubieten, anstatt die Schulen sich selbst zu überlassen und so zu riskieren, dass aus Überforderung Ressentiments und Ausgrenzungsfantasien entstehen. Der Forderung nach Obergrenzen für Geflüchtete erteile ich eine entschiedene Absage, sie ist keine Lösung für die hausgemachte Bildungsmisere und das segregierende Schulwesen.
Ja, Bildungspolitik ist Klassenpolitik. Das zeigt sich im verzweifelten Festhalten von CDU und FDP am Mythos Gymnasium als (Elite-) Schule für die Begabten und Bevorteilten. Die „praktisch Bildbaren“ hingegen besuchten besser die Stadtteilschule.
Alle Daten belegen die soziale Spaltung zwischen diesen beiden „Säulen“, die die Koppelung von Herkunft und Bildungserfolg verlässlich reproduzieren. Das „Zwei-Säulen-Modell“ aus Gymnasium (zielgleich in 8 Jahren zum Abitur) und der Stadtteilschule (zieldifferent in 9 Jahren zum Abitur) ist ein rein politisches Konstrukt.
Gymnasien sollen sich an Inklusion und Integration beteiligen
Ich kenne kein einziges pädagogisches Argument, das überzeugend begründet, warum sich Gymnasien nicht auch im vollen Umfang an sozialen Aufgaben – wie Inklusion und Integration – beteiligen sollten. Hier liegt der eigentliche soziale Sprengstoff, verantwortet von müde gewordenen oder heimlich schon immer mit der Trennung liebäugelnden rot-grünen Bildungspolitiker*innen, die aus Scheu vor der Auseinandersetzung mit den „selbst ernannten Eliten“ diejenigen Kinder und Jugendlichen im Stich lassen, die besondere Unterstützung und Fürsorge brauchen (und deren Eltern und die Lehrkräfte gleich mit!).
Daher ist jetzt das Gebot gesellschaftlichen Zusammenhalts und gemeinsamer Verantwortungsübernahme, dass sich
alle weiterführenden Schulen an den elementaren Aufgaben von Inklusion und Integration unserer geflüchteten jungen Menschen beteiligen. Macht eure Tore weit auf, liebe Gymnasien, und formuliert eure Anforderung an den Senat und die Politik, was ihr konkret dafür braucht!
Das „Argument“, es bräuchte doch für die Unterschiedlichkeit von Schüler*innen unterschiedliche Angebote, trägt nicht, solange die Gymnasien – vorgeschrieben durch das Schulgesetz – für sich in Anspruch nehmen (müssen), dass alle Unterschiedlichkeit an den Stadtteilschulen stattfinden soll! Und überhaupt, wieso sollten nicht auch Geflüchtete das Zeug fürs Gymnasium haben? Wir sollten endlich auch mit unseren Schulen im 21. Jahrhundert ankommen und sie so gestalten, dass alle jungen Menschen, gleich woher sie kommen und wohin sie wollen, in ihnen einen sicheren Platz finden.
Kurz: Wenn ab morgen auch alle Gymnasien ihre Tore für die Beschulung der geflüchteten Schüler*innen öffnen würden, hätten wir weitaus weniger überforderte Schulen. Sie könnten die dann gewonnene Energie im Rahmen der regionalen Bildungskonferenzen für einen gemeinsamen und solidarischen Schulentwicklungsprozess vor Ort zum Wohle aller jungen Menschen investieren.
Bildung: Rahmenbedingungen für Schulen müssen geschaffen werden
Damit dies gelingt, brauchen die Schulen selbstverständlich die notwendigen schulgesetzlichen Rahmenbedingungen, Ressourcen und personellen wie materiellen Voraussetzungen. Sowohl die Umsetzung der Inklusion, festgeschrieben in der UN-Behindertenrechtskonvention, als auch die Integration im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sind in einer aufgeklärten und vielfältigen Gesellschaft Auftrag aller, also auch aller Schulen.
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Ich sehe jetzt die Behörde in der Pflicht, unverzüglich zu handeln, alle relevanten Akteur*innen, Expert*innen, die Kammern und Schulen zusammenzubringen, um einen entsprechenden Schulentwicklungsprozess zu initiieren, der dann von allen getragen und verantwortet wird. Könnte so gelebter Schulfrieden entstehen? Vorstellbar wär’s für mich!