Der Sack ist schwer, und das Kind ist schwierig. Weitere Bedeutungsunterschiede unter die Lupe genommen.

Lässt ein Film die Kinokassen klingeln, wird sofort ein Sequel gedreht, eine Fortsetzung zu dem Stoff, und wenn das Publikum nicht müde wird, ein Sequel nach dem anderen. Harrison Ford schleppt man gerade mit 80 Jahren erneut als Indiana Jones vor die Kamera. Ich war versucht, Ihnen diese Kolumne als Sequel einer erfolgreichen Folge meiner „Deutschstunde“ anzubieten, aber ich hatte meinen Vorrat an Anglizismen vor einer Woche mit den „Sprach-Gadgets“ aufgebraucht. Es ging um raffinierte stilistische und grammatische Konstruktionen und Unterschiede, die in der Leserschaft ein großes Echo fanden und eine Fortsetzung erfahren sollen. „Indiana Jones“ wird (hoffentlich) einmal sterben, aber die deutsche Sprache ist unerschöpflich an Beispielen.

Im Abendblatt stand die Überschrift „Das Hamburger Abitur soll schwerer werden.“ Es meldete sich eine Deutschlehrerin, die anmerkte, dass das Abitur nicht „schwerer“, sondern höchstens „schwieriger“ werden könne. Diese Anmerkung wirft eine „schwierige“ Frage auf. Oder eine „schwere“ Frage? Im Allgemeinen gebrauchen wir diese beiden Ausdrücke heutzutage synonym, also mit übertragbarer Bedeutung. Deshalb zäumen wir das Pferd von hinten auf und betrachten die beiden Wörter, wo sie unterschiedlich und nicht synonym sind, und zwar bei „schwer“, wenn es sich ausschließlich um das Gewicht handelt, und bei „schwierig“ um die Art und Weise.

Deutschstunde: In den meisten anderen Fällen sind die beiden Begriffe austauschbar

Der Getreidesack ist nicht schwierig, sondern schwer, und das trotzige Kind ist ein Leichtgewicht auf der Waage, aber ein schwieriger Junge von drei Jahren. Diese Unterscheidung gilt beim Prädikativ (der Ergänzung zum Prädikat): Der Sack „ist schwer“ oder das Kind „ist schwierig“. Sie gilt auch attributiv, bei der Ergänzung vor dem Hauptwort: der „schwere Sack“ und das „schwierige Kind“.

In den meisten anderen Fällen sind die beiden Begriffe austauschbar. Kein Schüler würde sagen, dass die Mathe-Klausur „schwierig“ gewesen sei, sondern von einer „schweren“ Arbeit sprechen, obwohl sich diese Einschätzung nicht auf der Waage, sondern im Kopf abgespielt hat. Ich habe die Abitur-Überschrift nicht formuliert, aber ich hätte mein Lebtag vom Schwerer-Werden des Abiturs gesprochen, das einen höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen solle.

Unterschied zwischen „auf“ und „offen“ in der Umgangssprache weitgehend aufgegeben

Das Eigenschaftswort „schwierig“ geht auf das mittelhochdeutsche „swiric, schwürig“ zurück und bedeutete eigentlich „eitrig, mit Schwären übersät“. Daraus entstand nach 1800 die Bedeutung „schwer zu behandeln“, bis vom Sprachgefühl her das Adjektiv „schwer“ in den Vordergrund trat.

„Die Tür ist auf, der Hund ist weg!“, ruft meine Enkelin. „Nein, die Tür ist offen“, korrigiere ich. Zweifel bei der Kleinen: „Wer hat die Tür offen gemacht?“ „Du hast sie doch selbst aufgemacht“, sage ich. In der Umgangssprache ist der Unterschied zwischen „auf“ und „offen“ weitgehend aufgegeben worden, sodass sich hier ein weites Feld für den Deutschunterricht auftut. Eigentlich zeigt „auf-“ in Verbindung mit Verben den Vorgang des Öffnens (Tätigkeit) an, während „offen“ den Zustand des Offen-Seins ausdrückt: „aufgehen, aufmachen, aufdrehen“ ist eine Tätigkeit, „offen stehen, offen lassen, offen bleiben, offen sein“ hingegen ein Zustand.

Deutschstunde: Ist das Schienbein „mehrfach“ oder „mehrmals“ gebrochen?

Es heißt: Ich lasse die Tür offen“, aber „Ich mache die Tür auf“. Dabei ist dieses „auf“ ein Teil des unfesten Verbs „aufmachen“, das im finiten (gebeugten) Zustand seine Vorsilbe abtrennt und nach hinten in den Satz setzt. Wer das Präfix „auf“ zum Adjektiv erklären und vom „aufen Fenster“ sprechen sollte, treibt es mit dem Straßenjargon deutlich zu weit, erst recht beim Abitur.

Es ist ein Unterschied, ob sich der Torwart das Schienbein „mehrfach“ oder „mehrmals“ gebrochen hat. Hat er es sich mehrfach gebrochen, so liegt ein Trümmerbruch vor, der mit Mühe operiert werden muss, hätte er sich das Schienbein aber mehrmals gebrochen, so hätte er die gleiche Verletzung im Laufe der Jahre mehrmals erlitten.

Wenn zwei Leichtathleten die Vorläufe „zeitgleich“ absolvieren, dann weisen sie die gleiche Zeit auf, aber sie sind nicht „gleichzeitig“ gelaufen, sondern in verschiedenen Vorläufen.

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