Hamburg. Die Menschheit braucht den Witz. Kommt der Einfall zu spät, handelt es sich um einen Treppenwitz.

Woran erkannte man früher, dass der Chef eine blonde Sekretärin hatte? An den Tipp-Ex-Flecken auf dem Bildschirm! Bevor nun alle Feministinnen und „Emma“-Leserinnen über mich herfallen, sei schnell und laut gesagt: Das war ein Witz!

Ein Witz ist gemäß Deutschem Universalwörterbuch eine prägnant formulierte kurze Geschichte, die mit einer unerwarteten Wendung, einem überraschenden Effekt, einer Pointe am Ende zum Lachen reizt – das heißt, lachen tut häufig nur der Erzähler, während die Betroffenen übelnehmen. Wegen meines Eingangs­beispiels sollte ich heute besser keiner Blondine begegnen, und ich kann nur hoffen, dass meine blonde Tochter mir nicht die Leviten lesen wird.

Die Menschheit braucht den Witz

Die Menschheit braucht den Witz, um zwischen all den niederdrückenden Nachrichten und Zukunftsängsten einmal kurz aufzulachen. Witze greifen häufig Ängste, Vorurteile oder Tabuthemen auf. Witze über Sexualität haben nichts in der Zeitung zu suchen, oder man muss sie mithilfe der Hamburger Göre Klein Erna entschärfen.

Ein Beispiel (Etepetete-Damen und empfindliche Seelen sollten diesen Absatz überschlagen): Klein Erna hat ja nun einen neuen Freund. Frau Kripgans, die Nachbarin, fragt: „Ist das was Ernstes?“ „Nee“, sagt Mutter Pumeier, „das ist rein platonisch.“ „Platonisch, was ist das?“ „Das wissen Sie nicht?“, wundert sich Frau Pumeier, „platonisch ist, wenn sie kein Geld dafür nehmen tut.“

Die Pointe (frz. Spitze, Schärfe) ist der unerwartete und möglichst geistreiche Ausgang des Witzes. Sie soll am Ende wie ein Blitz einschlagen, auf den nach einer kurzen Pause der Verblüffung der befreiende Donner, das Lachen, folgt. Besonders schön ist die Pointe, wenn sie wie ein Bumerang auf den Spötter zurückspringt: Bei einem Festmahl weist ein Rabbi das angebotene Schinkenbrot höflich, aber bestimmt zurück. Der neben ihm sitzende katholische Pfarrer stichelt: „Wann werden die Juden endlich Schweinefleisch essen?“ Antwortet der Rabbi: „Auf Ihrer Hochzeit, Hochwürden!“

Vorsicht mit politischen Witzen

Auch mit politischen Witzen sollte man vorsichtig sein. Unsere Nachbarn in der EU sind unsere nominellen Freunde und keine Spaßobjekte. Harald Schmidt leistete sich einmal folgenden Fauxpas: „Woran erkennt man, dass es im Himmel keine Polen gibt? Ganz einfach, der Große Wagen ist noch da!“ Daraufhin bekam Schmidt Ärger mit dem Auswärtigen Amt, und die diplomatischen Beziehungen zu Warschau mussten wieder gekittet werden.

Im Jahre 1773 prägte der französische Philosoph Denis Diderot (1713–1784) den Ausdruck „l’esprit de l’escalier“, den Geistesblitz auf der Treppe. Was sich im Französischen wie mit dem Florett geschlagen anhört, klingt als „Treppenwitz“ in der deutschen Lehnübersetzung eher wie mit der Axt ins Wörterbuch geschoben. In beiden Sprachen steht der Ausdruck für einen Gedanken oder ein Argument, das jemandem zu spät einfällt, nämlich erst auf der Treppe zum Ausgang, nachdem das Gespräch oben bereits beendet war. Es ist ein Treppenwitz des Augenblicks, dass nun selbst der brillanteste Einfall nicht mehr benutzt oder nachgeschoben werden kann.

In Deutschland wurde der Ausdruck durch das 1882 erschienene Buch mit dem Titel „Der Treppenwitz der Welt­geschichte“ bekannt. Bei dem Verfasser handelte es sich um den Bankier und Schriftsteller William Lewis Hertslet (1839–1898), der auch bei den „Geflügelten Worten“ Georg Büchmanns (1864) mitgearbeitet hatte. Nun wurde sein Treppenwitz der Weltgeschichte selbst zum geflügelten Wort und bekam eine vorwiegend historische Dimension.

Ein Treppenwitz: Das Abschalten deutscher Kernkraftwerke

Heute wird der Treppenwitz der Weltgeschichte häufig als Ironie des Schicksals umgedeutet, die immer dann zitiert wird, wenn es um gesellschaftliche oder politische Prozesse geht, die in der Rückschau ihre absurden Fehleinschätzungen zu erkennen geben.

Als aktueller Treppenwitz entpuppt sich der sture missionarische Eifer Robert Habecks beim Abschalten der letzten deutschen (zudem klimaschonenden) Kernkraftwerke, obwohl wir in Europa von AKWs umgeben sind, von denen wir in Spitzenzeiten den immer noch atomaren Strom kaufen müssen.

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