Hamburg. Die aktuellen Dramen, Risse und Rücktritte haben das Zeug, die Zukunft und den Erhalt des traditionsreichen Theaters zu gefährden.

Dat Ohnsorg Theater is ok nich mehr dat, wat dat mal weer. Nein, ein Stoßseufzer ist dies eigentlich gar nicht, nicht einmal angesichts der aktuellen, nicht ganz ungefährlichen Turbulenzen am Heidi-Kabel-Platz. Im Gegenteil: Das Ohnsorg Theater ist auch nicht das, was es mal war? Gott sei Dank! Denn wäre es nicht über die Jahre sanft in die Moderne geführt worden, zunächst vom langjährigen Intendanten Christian Seeler, zuletzt von seinem erfolgreichen Nachfolger Michael Lang – wer weiß, ob es die traditionsreiche Hamburger Bühne so überhaupt noch gäbe. Es ist schon was dran: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.

Ohnsorg: Intendant Michael Lang will kontinuierliche Weiterentwicklung

Als Michael Lang das Haus 2017 übernahm, warb er für „Kontinuität“, die er eben „nicht als Stillstand, sondern als kontinuierliche Weiterentwicklung“ verstanden wissen wollte, als „Aufbruch in eine sich verändernde Gesellschaft“. Und er setzt dies umsichtig um: Es gab und gibt Stücke, die nicht mehr rein plattdeutsch, sondern gemischt – ein Teil Platt, ein Teil Hochdeutsch – gespielt wurden. Auch das ausgesuchte Kinderprogramm funktioniert (bis auf das traditionell hochdeutsche Weihnachtsmärchen) auf diese Weise und baut so Schwellenängste ab, ohne die DNA des Hauses zu verraten.

Wer das Ohnsorg als trutschigen Gruß ans Vorgestern verortet, war lange nicht dort

Inhaltlich wurde die Bühne, nicht zuletzt unter ihrem aktuellen Oberspielleiter Murat Yeginer, mutiger, die Stoffe vielfältiger und zeitgenössischer. Wer das Ohnsorg Theater als trutschigen Gruß ans Vorgestern verortet hat, der kann schon lange nicht mehr dort gewesen sein – oder pflegt Vorurteile. Das gilt übrigens auch in die andere Richtung: Einen knirschend radikalen Kurswechsel konnte man am Ohnsorg nicht beobachten.

Sich einem neuen, auch jüngeren Publikum zuzuwenden, daran führt kein Weg vorbei. Aber ist jeder, wie es im Coaching-Deutsch so schön heißt, „mitgenommen“ worden auf diesem Weg? Offenbar nicht ausreichend. Oder ist man sich zwar im Ziel einig, nicht aber in der Streckenführung? Die Wahl einer neuen Vorsitzenden des Vereins Niederdeutsche Bühne Hamburg, immerhin der Eigentümerin des Theaters, signalisiert mehr als bloß Knatsch im Treppenhaus.

Dass das Ohnsorg Theater für den Spielplan der kommenden Saison alle Stücktitel ins Hochdeutsche setzt und damit das Außenbild der Bühne entscheidend verändert, kann man kritisieren. Ist es klug, wenn auf der Packung nicht mehr zu erkennen ist, was der Inhalt verspricht?

Die überraschende Wahl von Sandra Keck – die gar nicht als „altbaksch“ gilt – hat nun zu Dramen, Rissen und Rücktritten geführt, die wiederum neue Verletzungen zur Folge haben und die in ihrer kolportierten Unversöhnlichkeit plötzlich das Zeug haben, die Zukunft und den Erhalt des Theaters zu gefährden. Das ist nicht mehr verhältnismäßig.

Ohnsorg: Die Form der Auseinandersetzung muss man mit Sorge betrachten

In einer Zeit, in der alle Theater, auch die erfolgreich geführten, grundsätzlich mit der Rückkehr des Publikums zu kämpfen haben, grundsätzlich mit einem breitgefächerten Alternativangebot konkurrieren müssen, muss man vor allem die Form der Auseinandersetzung mit Sorge betrachten: „Wenn es keine Solidarität gibt, sondern Hauen und Stechen, verlieren am Ende alle.“ Übrigens: O-Ton Christian Seeler. Dieser Satz fiel in seinem Abschiedsinterview.

Dafür muss man sich allerdings an einen Tisch setzen. Und miteinander sprechen, auch miteinander streiten, ob nun auf Platt oder auf Hochdeutsch. Aber ohne snacken geiht dat nich. Und am besten geht das, wenn man es nicht übereinander tut, sondern nach dem Motto der aktuellen Spielzeit: tosamen.