Hamburg. Die Uraufführung von „Starven is ok nich mehr dat, wat dat mal weer“ amüsiert als eine skurril-schräge Mischung aus Krimi und Komödie.

Die Melodie von „Miss Marple“ und die der früheren „Stahlnetz“-Filmreihe sind am Heidi-Kabel-Platz auch nicht aller Abend zu hören. Das wird bis Ende Mai so sein – im Ohnsorg ist fortan Crime-Time. Natürlich mit Humor und norddeutschem Zungenschlag. Schließlich steht in Hamburg an der Reeperbahn mit dem Imperial seit geraumer Zeit Deutschlands führendes Krimitheater; es ist bekannt für ins Deutsche übersetzte englische Stücke, Grusel mit Augenzwinkern sowie bunte opulente Kostüme und Bühnenbilder.

Im Ohnsorg-Theater spukt’s op Platt und in Schwarz-Weiß

Im Ohnsorg hingegen ist diesmal fast alles grau, schwarz oder weiß. „Starven is ok nich mehr dat, wat dat mal weer“ heißt das Siegerstück des vom Traditionstheater fürs Niederdeutsche ausgeschriebenen Autoren-Wettbewerbs „Große Freiheit Schreiben“. Den hatte im Vorjahr die Autorin Tatjana Kruse mit ihrer hochdeutschen Version „Sterben ist auch nicht mehr das, was es mal war“ gewonnen.

Die versierte Krimifachfrau und laut Selbstbezeichnung Schöpferin des Genres „Krimödie“ wurde nach der Uraufführung mit ebenso viel Beifall bedacht wie das überzeugende neunköpfige Ensemble, Regisseur Murat Yeginer und Annike Sedello (Bühne und Kostüme).

Stilechtes Sterben in einer Bed-&-Breakfast-Pension

Die Ausstatterin hat ganze Arbeit geleistet, damit das Sterben in einer altmodischen Bed-&-Breakfast-Pension auch stilecht über die Bühne geht. Wobei sie mit Oberspielleiter Yeginer und gleich drei beteiligten Maskenbildnerinnen nicht etwa die Toten kalkweiß erscheinen lässt, sondern die Lebenden. Nicht mehr am Leben ist in diesem Hotelsalon Bernhardine, genannt „Bernie“ (Birte Kretschmer).

Von der sieht man hinter dem Sofa anfangs nur die karierten Hosenbeine, bis sie mühevoll auf die Beine kommt – in identischem Beinkleid und mit pinkfarbenem Blazer. Doch „Bernie“, von Kretschmer als resolute moderne Frau gespielt, ist im Reich der Toten gelandet, sie ist der Geist ihrer selbst und offenbar Opfer eines Mordes geworden. Ihre Mitbewohner kann sie zwar sehen und hören, die anderen jedoch nicht diese (Un-)Tote.

Ein turbulenter und skurril-schräger Schlagabtausch

Doch wer hat die gut situierte „Bernie“ auf dem Gewissen? Ihr jüngerer Mann Ludger (Peter Christoph Grünberg), ihre – mal ein umgedrehtes Klischee – Schwiegermutter und finanziell klamme Pensionswirtin Frau Heubel (sehr überzeugend: Meike Meiners) oder die anderen ihr mehr oder weniger bekannten Gäste?

„Bernies“ Suche nach ihrem Mörder und der Todesursache gerät zu einem turbulenten und skurril-schrägen verbalen Schlagabtausch der Verdächtigen. Dieser lässt die Ermordete bisweilen an ihren teils tumben Mitmenschen verzweifeln. Allen voran an Polizeiobermeister Stolz, den Robert Eder als einen dem Schnaps zugewandten Dösbaddel spielt.

Als „Bernie“ dann auch noch erfährt, dass Ehemann Ludger eine Geliebte hat und diese Nele (Nele Larsen) behauptet, ein Kind von ihm zu erwarten, möchte sie am liebsten nur noch rausrennen. Doch immer, wenn sie es versucht, setzt es für „Bernie“ Stromschläge. Wie heißt es in Kerstin Stöltings plattdeutscher Stückübersetzung so schön: „Du kümmst hier nich rut. Geister mööt dor blieven, woneem se sturven sünd ...“

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Eine bebrillte „Eso-Tante“ mit Wuschel-Perücke als komödiantisches Glanzlicht

Daran kann auch Sabrina Selbig nichts ändern, die als sogenanntes Medium versucht, Kontakt mit der Toten aufzunehmen. Premieren-Besetzung Laura Uhlig, die sich diese Rolle mit Raika Nicolai teilt, sorgt mit ihrem Erscheinen als bebrillte „Eso-Tante“ für die komödiantischen Glanzlichter, wiewohl mit grauer Wuschel-Perücke und ebenfalls ganz in Schwarz ausstaffiert. Doch diese Botschaft sei verraten: „Bernie“ wird in der Hotelpension nicht die einzige farbig Gekleidete bleiben. Da kann der Schafskopf an der Wand noch so viel blöken.

„Krimödie“ sorgt für neue Farbe im Spielplan des Ohnsorg-Theaters

Im Ohnsorg-Spielplan sorgt „Starven is ok nich mehr dat, wat dat mal weer“ als Krimikomödie in jedem Fall für eine neue Farbe sowie etwas andere Töne. Und Oberspielleiter Yeginer, schon zu Corona-Zeiten mit seinen Stückfassungen von jeweils knapp 70 Minuten ein Fan der humorvollen Kurzform, zeigt hier in gut anderthalb Stunden (inklusive Pause), wie er sein Handwerk beherrscht und dabei eher ans Publikum denkt als daran, sich künstlerisch selbst verwirklichen zu wollen.

„Starven is ok nich mehr dat, wat dat mal weer“ wieder Di 18.4.,19.30, bis 27.5., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.) Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 22,- bis 35,50 unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de