Kein Aprilscherz: Um den Vater nicht zu diskriminieren, sollte es „gebärende Person“ heißen. Peter Schmachthagen spricht Klartext.

Wenn ich das Deutsche nicht schon beherrschte, möchte ich es nicht lernen müssen. Zu kompliziert sind seine Eigenarten, Tücken und Stolpersteine, als dass man es Ausländern und Migranten als Standard anbieten könnte. Doch für mich handelt es sich um meine Muttersprache, die ich quasi als Säugling an der Mutterbrust mit der Muttermilch eingesogen habe.

So oder so ähnlich stellte ich mir die Einleitung für die heutige „Deutschstunde“ vor – bis zum Sonnabend. Da las ich auf dem Smartphone im ARD-Text, und zwar zeitweise als dritte Spitzenmeldung, dass der Ausdruck „Mutter“ abgeschafft sei und durch „gebärende Person“ ersetzt werden solle. Es gibt Momente, in denen die Grundlagen eines langen Lebens zu schwinden drohen und ich versucht bin, das Handy an die Wand zu klatschen. Nun also die Sprache in den öffentlich-rechtlichen Texten als eine Art Kulturrevolution von unten, und das ausgerechnet beim beauftragten Skandalsender Radio Berlin-Brandenburg (rbb) in Potsdam!

Deutschstunde: Wer soll durch das Wort „Mutter“ diskriminiert werden?

Wenn Habecks Grüne angeblich in der Ampel zurückstecken mussten, was den „Spiegel“ zu einer larmoyanten Titelgeschichte veranlasst hat, die sich wie eine Trauerbotschaft las, so wird es doch irgendwo in der ARD (leider auch im ZDF) einige Volontärinnen geben, die im deutschen Sprachschatz etwas zum Verbieten und Umdeuten finden.

Doch ausgerechnet beim deutschen Erbwort „Mutter“? Wer sollte da diskriminiert worden sein? Gebärende Väter sind weder in der Schöpfungsgeschichte noch bei der Evolution vorgesehen und lassen sich selbst durch Parteiprogramme, Woke­ness-Blödsinn oder Political Correctness nicht herbeischaffen. Da sah ich auf das Datum der Meldung, auf den 1. April, und mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Abschaffung der Mutter war also ein gelungener Aprilscherz!

Nein, es war nicht als Aprilscherz gemeint

Es war kein Aprilscherz, es war todernst gemeint. Die ARD wurde in den sozialen Medien von einer Flut von Beschwerden und Häme überrollt und ruderte zurück. Nach einigen Stunden hieß die Mutter wieder „Mutter“. Begründung: Es habe sich um ein „Missverständnis“ gehandelt. Was war dabei missverständlich? Vater und Mutter sollst du ehren, aber nicht
abschaffen oder austauschen. Für unsere 18,36 Euro TV-Gebühren im Monat haben wir Anspruch auf eine korrekte deutsche Sprache ohne „Missverständnisse“, Arroganz und Besserwisserei. Die Frage bleibt: Was kommt als Nächstes? Wollen die öffentlich-rechtlichen Grünen die Erde wieder zur Scheibe machen, um auf dem Lastenfahrrad nicht so strampeln zu müssen?

Welche Regel kann ich Ihnen heute noch anbieten? Ein Ausblick auf das Osterfest? Vielleicht fällt es aus wegen Ausbeutung der Hennen beim Eierlegen und der Hasen beim Verteilen der Eier, was zu einem Warnstreik im Tierreich führen könnte.

Deutschstunde: „Trotzdem“ kann auch eine Konjunktion sein

Oder soll ich Ihnen die Osterformel erklären, nach der Ostern auf 35 verschiedene Daten zwischen dem 22. März und dem 25. April fallen kann? Der Ostersonntag fällt auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem 21. März (nicht: nach dem Frühlingsanfang!). Dabei handelt es sich um ein Thema, bei dem christliche Bischöfe in der heutigen Türkei ihre Wunden leckten und ein Papst im Jahre 1582 zehn Tage im Kalender ganz einfach ausfallen ließ – doch hierbei geht es um die historische Chronologie und weniger um die deutsche Sprache.

Da der Platz nun knapp geworden ist, biete ich Ihnen die Erklärung eines Randthemas an: Kann „trotzdem“ eine Konjunktion (ein Bindewort) sein? Es kann! Im Allgemeinen handelt es sich bei „trotzdem“ um ein Adverb (um ein Umstandswort): Es fing an zu regnen. Er ging „trotzdem“ spazieren (Adverb). Aber: „Trotzdem“ es regnete, ging er spazieren (Konjunktion im Sinne von „obwohl“). Wer redet so? Zum Beispiel Thomas Mann, Raabe, Rilke, Stifter und viele alte Autoren der klassischen Literatur. Es geht nicht darum, ob wir heute so formulieren würden, sondern darum, ob es falsch wäre, wenn wir es täten. Eine Leserin hatte die Wendung im Radio gehört und wandte sich voller Empörung an mich. Vorsicht bei derartigen Beschwerden! Es könnte sich um einen Bumerang handeln.

deutschstunde@t-online.de