Hamburg. Die deutsche Sprache strotzt nur so vor Farben. Warum diese grammatikalisch ein Eigenleben führen, erklärt Peter Schmachthagen.
Vorweg die übliche Warnung: Ich bin Sprachautor, aber keine Sprachauskunft. Selbst wenn ich wollte, könnte ich die Flut der Fragen, die sich zu Hunderten unbearbeitet im Ordner sammeln, nicht individuell beantworten. Obwohl ich mir alle Mühe gebe, möglichst viele Zuschriften wegzuschaffen, nimmt der Bestand in der Summe in jeder Woche zu. Deshalb die Bitte, einfache Fragen oder Einfälle, die Ihnen beim Spaziergehen kommen, mit dem Duden zu klären – und die weitere Bitte um Verständnis, dass ich im angesammelten Bestand nun einen Schnitt machen muss.
Und dennoch gibt es Fragen, bei denen wäre es schade, sie privatissime zu beantworten. Solche Fragen sind vom allgemeinen Interesse, sodass deren Erklärung ein Thema für die gesamte Leserschaft sein könnte. Beginnen wir mit der Frage nach den Farben. Wenn Sie jetzt erstaunt denken, dass Sie bereits im Kindergarten Rot von Blau oder Schwarz von Weiß unterscheiden konnten, dann frage ich Sie: Heißt es eigentlich „Oma hatte ein lilanes Kleid an“ oder „Oma hatte ein lila Kleid an“?
Deutschstunde: Aufgepasst bei der Beugung von Farben
Während ich dies in MS Word schreibe, protestiert der Assistent mit einer roten Schlangenlinie unter dem Wort gegen die Form „lilanes“. Bei dem Protest geht es offenbar nicht um den arg missglückten Einfall von Großmutter, mit ihren 85 Jahren einen letzten Versuch in Lila zu wagen, sondern um einen Mangel bei der Grammatik. Flexion (Beugung) und Steigerung (Komparation) scheinen nicht zu stimmen.
Blau, Rot, Gelb, Grün, Schwarz und Weiß sind einfach, nicht unbedingt bei Omas Frühlingsgarderobe, aber in sprachlicher Hinsicht. Farben führen ein Eigenleben im Deutschen. Bekommen wir die einsilbigen Grundfarben wie Rot oder Blau noch in den Griff, wird es bei den Farbadjektiven wie rosa, orange, oliv, beige (sandfarben), sepia (graubraunschwarz), creme, chamois, lila, ocker, pensee (dunkelviolett), reseda (gelblich), cognac oder türkis recht kompliziert. Sie sind mehrsilbig und sind häufig aus einer anderen Sprache oder aus einem Substantiv hervorgegangen. Hochsprachlich und historisch bedeutet das: Diese besonderen Farbadjektive lassen sich weder steigern noch flektieren (beugen).
Deutschstunde: Nur einige Farben können gesteigert werden
Die Adjektive (Eigenschaftswörter) unserer Grundfarben dürfen gesteigert werden: Der Himmel war am Sonntag blauer als am Sonnabend, die Gardinen werden mit dem neuen Waschpulver angeblich weißer als weiß, Putins Angriff war der schwärzeste Tag für die Ukraine. Die Adjektive der Grundfarben werden zudem flektiert (dekliniert): ein blauer Mantel, ein roter Schal. Bei den anderen Farbadjektiven wird es kompliziert. So ist etwa bei „lila“, wie wir gesehen haben, oder „rosa“ weder eine Steigerung noch eine Beugung erlaubt. Es heißt: der rosa Schuh (nicht: der rosane Schuh) oder: der Absatz des rosa Schuhs (nicht: des rosanen Schuhs), einen oliv Gürtel (nicht: einen oliven Gürtel).
Schwierig ist es mit „beige“, das ja nicht zweisilbig „bei-ge“, sondern einsilbig auf Französisch wie „bäsch“ gesprochen wird. Deshalb wird in diesem Fall umgangssprachlich eine Flexion toleriert: ein beiges Kleid. Das Adjektiv „orange“ kann heutzutage meistens auch gebeugt werden, obwohl das eigentlich nicht korrekt ist: ein oranges Kleid. Dabei handelt es sich um die sogenannte Kaufhaussprache (am Grabbeltisch), wobei abzuwarten bleibt, wie nachhaltig sie sein wird, sollte es bald keine Kaufhäuser mehr geben.
Deutschstunde: Mit diesem Trick ist man bei Farben immer sicher – zumindest sprachlich
Vorschlag: Umgehen Sie diese Farbspitzfindigkeiten, indem Sie alle Farbadjektive mit dem Suffix (Wortbildungsanhang) -farbig ergänzen, wodurch die Adjektive wieder eine grammatisch „normale“ Eigenschaft annehmen: das beigefarbene Kleid, dem beigefarbenen Kleid, der olivfarbene Schal.
- Wie ein Kuckuck im falschen Nest
- Auch die Ananas soll jetzt rassistisch sein
- Vergleichspartikeln und sechste Wochentage
Die Regeln der Groß- und Kleinschreibung sind einfacher und gelten für alle Farben. Handelt es sich um den Namen der Farbe, wird großgeschrieben (Substantiv), geht es um die Eigenschaft (Adjektiv) der Farbe als Attribut oder Prädikativ, wird kleingeschrieben: das Blau des Himmels, eine Wiese ganz in Gelb, die Farbe wechselte von Rot zu Orange, aber: der graue Himmel oder: Der Himmel war grau.
deutschstunde@t-online.de