Hamburg. Etwas über Unikate und Kopien in der Sprache. Das Gleiche ist nicht dasselbe. Und scheinbar ist nicht die Realität.
Eine Einsenderin schreibt: „Als begeisterte Leserin Ihrer Beiträge und als Fürsprecherin korrekter Sprache würde ich mich freuen, wenn Sie sich der Irrtümer bei der Benutzung von ‚dasselbe/das gleiche‘, ‚scheinbar/anscheinend‘ und ‚in keinster Weise‘ etc. annähmen.“ In den bald 1000 Folgen meiner „Deutschstunde“ habe ich mich bereits dieser Sprachirrtümer angenommen, und das wiederholt – um nicht zu sagen: bis zum Abwinken.
Die Themen meiner Kolumnen bestanden neben dem Kampf gegen den Unsinn und die Diktatur linksgrüner Sprachpolitik ja gerade aus der Erklärung der Tücken in der Grammatik, Rechtschreibung und Stilistik. Allerdings unterziehe ich meine Leserinnen und Leser keinen Examina. Sie sollen vor allem Freude am Lesen haben. Sie dürfen vergessen, und sie dürfen wiederholen. Also wiederholen wir.
Deutschstunde: Zwei können nie dasselbe, sondern nur das Gleiche tun
Lassen wir „in keinster Weise“ (überhaupt nicht) einmal beiseite. „kein“ (nicht einer) ist ein unbestimmtes Fürwort (Indefinitpronomen), und unbestimmte Fürwörter können nicht gesteigert werden. Trotzdem wird „in keinster Weise“ häufig scherzhaft oder als besondere Betonung benutzt, und das sogar am Rednerpult des Bundestags. Verkneifen Sie sich besser diesen Scherz, denn Ihr Gesprächspartner könnte den Scherz nicht erkennen und Ihr Sprachniveau dann entsprechend niedrig einordnen.
Nun zum Unterschied von „dasselbe/ das gleiche“: „dasselbe“ bezeichnet ein Unikat, etwas, das nur ein einziges Mal vorhanden ist; „das gleiche“ benennt dagegen eine Kopie des Unikats, etwas, was doppelt oder mehrfach verfügbar ist, dem Original aber entsprechend gleicht. Heißt es „Die beiden Monteure des Betriebs fahren denselben Firmenwagen“, dann teilen sich die beiden ein und dasselbe Auto. Wenn sie jedoch „den gleichen Firmenwagen“ führen, hätte der Meister einen zweiten, einen gleichen Wagen derselben Marke angeschafft. Übrigens können zwei nie dasselbe, sondern nur das Gleiche tun, denn es handelt sich nicht um eine, sondern um zwei Handlungen, die sich gleichen, aber kein Unikat sind. „dasselbe“ usw. wird stets zusammen- und kleingeschrieben, „das gleiche“ getrennt und substantiviert als „das Gleiche“ zudem groß.
„Scheinbar“ entspricht nicht der Realität
Anscheinend ist „scheinbar“ so schwierig, dass „anscheinend“ und „scheinbar“ selten sauber unterschieden werden. Wir merken uns: „scheinbar“ entspricht nicht der Realität, wird vorgeschoben, vorgelogen oder fälschlich angenommen, gibt aber nicht die Wirklichkeit wieder. Bei „anscheinend“ besteht hingegen wegen aller Fakten, die wir sehen oder haben, der Anschein der Wirklichkeit, an dem nicht gezweifelt wird. Die Aussage des Chefs über seine Sekretärin, sie sei „scheinbar“ krank, offenbart einen starken Zweifel an der Krankheit der Angestellten und riecht nach einer Abmahnung. Falls der Chef aber sagt, sie sei „anscheinend“ krank, so geht er davon aus, dass sie arbeitsunfähig zu Hause im Bett liegt, und erwartet jeden Augenblick die ärztliche Krankschreibung.
Die Vergleichspartikeln „wie“ und „als“ unterscheiden sich in der Standardsprache (jedoch leider nicht in Sportreportagen) eindeutig durch ihre Steigerungsstufe. Wird etwas auf der gleichen Stufe verglichen, steht ein „Wie“: Klaus ist so groß „wie“ sein Bruder. Die beiden sind gleich groß. Beim Komparativ (1. Steigerungsstufe) greifen wir zum „Als“: Klaus ist größer „als“ sein Bruder.
Deutschstunde: Zu Ostern oder an Ostern?
Heißt es „zu Ostern“ oder „an Ostern“? Im Norden sagt man „zu Ostern“ und im Süden „an Ostern“. Ähnlich ist es mit „Sonnabend/Samstag“. Im Norden und Osten (ehemalige DDR) heißt der sechste Wochentag „Sonnabend“, im katholischen Süden und Westen hingegen „Samstag“.
Die Kausal-Konjunktionen (Bindewörter) „da“ und „weil“ sind Synonyme, und dennoch besteht ein feiner Unterschied im Gebrauch. Vergleichen wir die Aussagen „Da heute Sonntag ist, kann ich nicht einkaufen“ und „Weil ich krank bin, kann ich nicht einkaufen“: Das „Da“ leitet eine allgemein bekannte Tatsache ein, die nicht näher erklärt werden muss, während „weil“ einer individuellen Ergänzung und Interpretation bedarf. Ein „Weil“ erzeugt Rückfragen, ein „Da“ nicht.