Das Wort „Mistletoe“ ging uns in letzter Zeit ziemlich auf den Keks. Gut, dass es jetzt wieder in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Man muss schon sehr starke Nerven haben, wenn der Rest der Familie mehr oder weniger mehrheitlich entschieden hat, über die Feiertage nahezu rund um die Uhr jenen Hamburger Radiosender im ganzen Haus laufen zu lassen, der ebenso rund um die Uhr „die größten Weihnachtsklassiker aller Zeiten“ spielt. Seit Wochen!
Und jetzt wollen wir gar nicht das Klagelied derer anstimmen, die sich – meist irgendwann Ende November – darüber beschweren, dass sie erstmals in der aktuellen Saison „Last Christmas“ irgendwo im öffentlichen Raum auf die Ohren bekommen haben. Denn dieses Ereignis, für das sich ja im Sprachgebrauch die schöne Formulierung „gewhamt“ eingebürgert hat, ist nichts gegen die akustische Daueremission des Wortes „Mistletoe“, das es auf wundersame Weise in nahezu jeden dieser „Weihnachtsklassiker“ geschafft hat. Ein Wort, das man sonst nie hört, mischt sich plötzlich auf penetrante Weise überall ein.
Wir hatten den Mistelzweig von Miraculix doch in so guter Erinnerung
Dabei hatten wir den „Mistelzweig“ ursprünglich mal in guter Erinnerung. Als er noch bekannt war als Basis des legendären Zaubertranks, mit dem der gallische Druide Miraculix seinen Kriegern übermenschliche Kräfte im Kampf gegen die Besatzer aus Rom verlieh. Und nun geht er uns so auf die Nerven, dass wir uns dringend mal mit Fakten bewaffnen müssen, um das Wort verabscheuen zu können.
Fangen wir mal biologisch an: Misteln sind nämlich immergrüne oder schuppenblätterige Halbschmarotzer (!), die auf Bäumen oder Sträuchern wachsen und dort ihr Parasiten(!)-Dasein fristen. Etymologisch sieht es nicht viel besser aus: Der Name Mistel ist mit „Mist“ (!) verwandt. Denn die Samen der Pflanze werden von Vögeln gefressen und gelangen mit ihren Ausscheidungen (!), dem Vogelmist, wieder auf die Bäume.
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Angesichts dieser Erkenntnisse sollten sich die „Weihnachtsklassiker“ schon mal fragen, ob sie so etwas wirklich dauerhaft in ihren Strophen haben wollen.
Wir jedenfalls sind froh, dass das Wort für die nächsten ungefähr elf Monate wieder vollständig in der Bedeutungslosigkeit versinkt.