Hamburg. Der Senat will das neue Naturkundemuseum in der HafenCity errichten. Das ist geschichtsvergessen und zukunftsverloren zugleich.

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Der Traum von einem Naturkundemuseum für Hamburg könnte bald Wirklichkeit werden. Das bedeutende Haus, das einst in den Bombennächten der Operation Gomorrha 1943 ausgelöscht wurde, soll wiedererstehen. Beträchtliche Teile der Sammlung wurden im Krieg rechtzeitig ausgelagert, die liebevolle Schau im „Museum der Natur“ gibt einen ersten Eindruck davon, was dort in den neuen und größeren Räumen entstehen kann.

Damit aber beginnen die schlechten Nachrichten: Denn der Senat will das neue Naturkundemuseum in der HafenCity errichten – genauer gesagt auf dem Baufeld 51 zwischen Maritimen Museum und HafenCity-Universität. Das ist geschichtsvergessen und zukunftsverloren zugleich. Das alte Museum – damals übrigens das meistbesuchte seiner Art in Deutschland – stand am Steintorwall unweit des Hauptbahnhofs. Es war Teil einer Stadtgestaltung, die über Jahrhunderte galt – verschiedene Nutzungen fanden sich an einem Ort. Die Innenstadt war Wohnort, Erlebnisraum, Arbeitsplatz und Kultureinrichtung zugleich.

In der HafenCity hat die Stadt die alten Fehler nicht wiederholt

Erst die Charta von Athen von 1933 brach mit diesem Prinzip der europäischen Stadt: Fortan sollte die Metropolen nach Funktionen strikt getrennt werden – die Flächenbombardements schufen den nötigen Platz für diese neue Idee. Zurück aber blieben amputierte Viertel, die nur noch Wohnen, nur noch Gewerbe oder eben nur noch Einkaufen boten. Wer heute nach Geschäftsschluss durch die Spitaler- oder die Mönckebergstraße schlendert, erlebt das Scheitern dieser Idee hautnah. Über Jahrzehnte schwand das Leben, Wohnungen wurden zu Büros, Kultureinrichtungen zogen fort. Zurück blieben die Geschäfte. Und dann kam Amazon ...

Ganz anderes hingegen sah die Planung in der HafenCity aus, hier hat die Stadt die alten Fehler nicht wiederholt. Entstanden ist ein pulsierender Stadtteil, der alles vereint: Wohnen, Einkaufen, Gewerbe, Kultur. Von Jahr zu Jahr schlägt das Herz der HafenCity schneller – und die ganz große Pulsbeschleuniger stehen noch aus. Das Überseequartier wird 2024 eröffnen. Dort finden sich nicht nur 579 Wohnungen, sondern auch Büros für 4200 Beschäftigte, das Kreuzfahrtterminal, Restaurants, drei Hotels, Kultureinrichtungen und ein Kino mit neun Sälen. Der Investor Westfield erwartet 16,2 Millionen Besucher im Jahr. Und an den Elbbrücken entsteht der nächste Magnet, der Elbtower und das Digital Art Museum, das größte digitale Museum Europas. Auf dem Grasbrook soll bald das neue Hafenmuseum zusätzlich Menschen an die Elbe locken.

Naturkundemuseum zieht in HafenCity: Bittere Nachricht für die Innenstadt

Für die Innenstadt sind das bittere Nachrichten – zwar verfügt die Hansestadt mit der Museumsmeile auch hier über einen Frequenzbringer. Aber sie reicht nicht aus, um Menschen in die City zu locken. Am Eingang der Mö stehen mit den leeren Kaufhäusern von Karstadt Sport und Galeria Kaufhof zwei Großbauten nutzlos herum und der Rückzug setzt sich fort. Das C&A-Gebäude fällt, das Thalia-Haus von Karstadt wird ebenfalls abgerissen. Die Krise der Innenstadt, sie verschlimmert sich von Woche zu Woche.

Das Umdenken – weg von einer Stärkung der kraftstrotzenden HafenCity hin zu einer Förderung der schwächelnden City – ist beim Senat offenbar noch nicht angekommen. Er beschränkt sich auf die Einrichtung der Stelle der Innenstadtkoordinatorin und ein business as usual. Nur das Haus der digitalen Welt bleibt ein Versprechen für die Zukunft. Wenn es eines Tages tatsächlich kommt, könnte es für die Innenstadt längst zu spät sein.