Hamburgs Altbürgermeister im Gespräch. Heute geht es um den Teilverkauf des HHLA-Terminals an die Chinesen.

Matthias Iken: Der Widerstand gegen eine Beteiligung von Cosco am Terminal Tollerort hat die Republik bewegt. Hat Sie der Widerstand dagegen überrascht?

Klaus von Dohnanyi: Allerdings. Handelt es sich dabei erneut um die „wertebasierte“ Außenpolitik? Wie weit trägt uns das Märchen noch, Russland führe Krieg gegen die Ukraine, weil Deutschland zu viel Gas aus Russland gekauft habe? Nun ist China dran. Eine mächtige Diktatur, in der man heute nicht leben möchte; ein Staat, der ausgreift in die Welt. Da sollten wir gewiss aufpassen. Aber wussten die aufmüpfigen Minister in Berlin nicht, dass China schon an zahlreichen Häfen in Europa beteiligt ist? Hat dieses Mal Brüssel geschlafen? Sollte nun Deutschlands bedeutendster Hafen zusehen, wie China statt Hamburg dann Rotterdam anläuft? Wusste der Wirtschaftsminister auch nicht, warum Hamburg so lange gezögert hatte, um dann doch die größte chinesische Reederei begrenzt an einem Terminal zu beteiligen? Ein Wirtschaftsminister sollte nicht aus der Hüfte schießen! Ja, ich war von dieser Inkompetenz überrascht.

Iken: Vorsicht gegen China scheint indes angebracht, wenn man die Entwicklung in Peking betrachtet ...

Dohnanyi: Für die Entwicklung in China ist niemand verantwortlich außer den Chinesen. Allerdings: Wie der Westen China begegnet, das wird die Chinesen beeinflussen. Was ist unser Interesse? Es wird immer behauptet, die deutsche Politik eines „Wandel durch Handel“ sei gescheitert. Konnte sie doch gar nicht, weil es eine solche nämlich nie gab! Es hieß „Wandel durch Annäherung“, also durch geduldige Kontakte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und das endete im Mauerfall! Wir müssen auch im Fall China unsere wirtschaftlichen Interessen wahren. Ein wirtschaftlich schwaches Deutschland wäre ohne jeden Einfluss. Und das gilt dann auch gegenüber China.

Iken: Ist Deutschland gut beraten, die Deglobalisierung zu forcieren?

Dohnanyi: Nein, globale Märkte sind in unserem Interesse. Eine gewisse Entkoppelung wird stattfinden, schon weil die westliche Führungsmacht USA daran interessiert ist: Sie selbst hat mit rund 330 Millionen Einwohnern einen riesigen, einheitlichen Heimatmarkt, will selber in den großen EU-Markt liefern (zum Beispiel Flüssiggas) und möchte im Wettbewerb mit China auch den Europäern Grenzen ziehen. Wir müssen aber als Exportland zwischen diesen Kräften möglichst geschickt, und ohne China zu verprellen, operieren. Davon die EU, das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zu überzeugen, bleibt eine schwierige Auf­gabe. „Feministische“ Außenpolitik wird uns dabei nicht helfen. Es ist gut, dass Scholz nach China reist.