Hamburg. Trotz Elbvertiefung hat der Hafen ein Schlickproblem. Für Umweltschützer ist der Pegel des Erträglichen erreicht.
Der Elbe geht es schlecht. Schon lange. Bereits nach der achten Vertiefung von 1999 stieg die Sedimentation mit leichter Verzögerung Anfang des Jahrtausends extrem an. Diese negative Entwicklung hätte von den Verantwortlichen als Indikator für ein unberechenbares natürliches Tidesystem gewertet werden müssen.
Deswegen war es ein eklatantes Risiko vor allem der Hamburger Politik und Verwaltung, eine neunte Vertiefung der Elbe auf den Weg zu bringen. Das Vorhaben wurde 2012 behördlich genehmigt und von den Umweltverbänden erfolglos beklagt.
Kette von politischen Fehlentscheidungen
BUND, WWF und Nabu sowie deren externe Experten warnten: Das fragile Gleichgewicht der Sedimente im Gang der Gezeiten würde sich nachhaltig verschlechtern, schlimmstenfalls unkontrollierbar werden. Dass die ökologischen Bedenken von Politik und Verwaltung im Verfahren weggewischt wurden, rächt sich jetzt. Im Klageverfahren folgte das Gericht den Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau, die selbst für den Worst Case keine derart dramatisch schlechte Entwicklung vorhergesagt hat, wie sie jetzt eingetreten ist.
Das quasi amtlich bescheinigte Scheitern mit allen negativen ökologischen und ökonomischen Auswirkungen ist vor allem eine Kette politischer Fehlentscheidungen, die sich so keinesfalls wiederholen dürfen.
Statt Alleingänge: Häfen müssen zusammenarbeiten
Bereits im Jahr 2000 verhandelten die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen über eine Hafenkooperation mit einem für Deutschland wichtigen neuen Tiefwasserhafen an der Nordsee. Statt einer Kooperation mit länderübergreifendem Konsens suchte Hamburg vor allem aus finanziellem Interesse lieber die latente Konfrontation mit Bremerhaven und Wilhelmshaven. Und riskierte stetigen nachbarschaftlichen Ärger wegen des Baggerns und Verbringens der vor allem im Hamburger Hafen anfallenden Sedimente.
Die Haltung der Umweltverbände BUND, Nabu und WWF ist klar: Um ökologische Schäden sowie anhaltend hohe Kosten für Natur und Steuerzahler zu vermeiden, müssen die drei deutschen Seehäfen zukünftig auf administrativer Ebene kooperieren. Auch die Bundesregierung muss ein Machtwort sprechen und Geld fürs Gemeinsame bereitstellen, statt föderale Egoismen zu fördern.
Ziel muss sein, die deutschen Seehäfen als einen gemeinsamen Standort widerstandsfähig gegen die westliche Hafenkonkurrenz aus den Niederlanden oder Belgien zu machen. Und eine einheitliche Strategie zu entwickeln, die Geld spart und ökologische Belastungen durch vermeidbare Eingriffe in die Gewässer von Weser und Elbe minimiert.
Neunte Elbvertiefung ist nicht zu rechtfertigen
Sauerstoffloch, Stintsterben, Verschlickung – mit Blick auf Folgen für den sensiblen Lebensraum Elbe war es ebenfalls ein politischer Fehler, stets den Maximalforderungen der Reeder für Tiefgang oder Terminalanpassung nachzugeben. Allen Beteiligten aus maritimer Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist klar, dass die Reeder nie die Tiefe benötigten, allenfalls eine partielle Verbreiterung der Elbe, damit sich die Containerriesen beim Ein- und Auslaufen begegnen können.
Weil ein Gutteil der Boxen bereits in Rotterdam oder Antwerpen von Bord geht, sind Großschiffe auf der Revierfahrt nach Hamburg ohnehin leichter und nutzten sowohl vor als auch nach der neunten Elbvertiefung den tatsächlich möglichen Maximaltiefgang äußerst selten aus.
Wegen marginaler wirtschaftlicher Vorteile war der folgenschwere Gesamteingriff der neunten Vertiefung nicht zu rechtfertigen. Allein eine Verbreiterung hätte einer besseren Zugänglichkeit zum Hamburger Hafen hinreichend Rechnung getragen, während sich sowohl die ökonomischen als auch ökologischen Kosten mehr als halbiert hätten.
Baggerarbeiten ausweiten? Schlecht für die Elbe
Die Natur an der Tideelbe darf nicht weiter Spielball wirtschaftspolitischer Drohkulissen bleiben. Deswegen muss mit Blick auf eine massive Reduzierung der Baggermengen – bei zudem nach wie vor völlig unklaren Verbringungsoptionen für viele Millionen Tonnen Sedimente – die aktuelle Elbvertiefung zurückgebaut werden.
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Doch die zuständigen Verwaltungen in Land und Bund planen, die Baggerarbeiten massiv zu intensivieren. Was für ein Offenbarungseid. Kein Plan für Kooperation, kein Platz für die Sedimente, keine Peilung für ökologische Belange – der maximale Pegel des Erträglichen ist erreicht! Die Elbe hätte es verdient, dass aus dem Scheitern endlich die richtigen Schlüsse gezogen werden.