Hamburg. Über Hamburg dröhnen die Flieger und machen ganze Teile der Stadt unbewohnbar. Was der Airport für eine Hausbesichtigung bedeutet.

Das war doch mal ein schönes Geschenk: An dem Morgen ihres Geburtstages rief der Makler bei einer Freundin an und lud sie zur Hausbesichtigung ein. Sie hatte sich ohnehin frei genommen, um einen Ausflug zu machen, das passte doch perfekt. Also fuhr sie mit ihrem Mann nach Groß Borstel.

Der Makler stand bereits vor dem Haus. Mit einem Strauß Blumen in der Hand. Es sei ja schließlich ihr Geburtstag! Und es wurde immer besser. Die Besichtigung lief super, das Haus war großartig, der Garten ein Traum, der Preis für die Lage gerade noch okay – und am Ende sagte der Makler allen Ernstes: Wenn Sie es wollen, können sie es haben.

Das musste einfach Schicksal sein. Nach mehr als einem Jahr Suche hatten sie ihr Traumhaus gefunden, an ihrem Geburtstag. Meine Freundin war hin und weg. Ihr Mann dagegen war immer stiller geworden. Als sie wieder im Auto saßen sagte er nur: Ein Makler bringt keine Blumen mit zur Besichtigung. Mit dem Haus stimmt etwas nicht.

Der Hamburger Immobilienmarkt ist voller Donnergrollen

In ihrer Wohnung angekommen, hatten die Zweifel auch meine Freundin erreicht. War das Mauerwerk marode? Das Dach kurz vorm Einstürzen? Lag eine Leiche im Keller? Sie beschlossen, am Abend wieder hinzufahren und sich alles noch einmal genau anzusehen.

Dort wieder angekommen, schlug ihr Herz bis zum Hals. Dieses Haus könnte IHR Haus sein. Den Gartenzaun würde sie streichen, die Haustür auch, in einem edlen Grau, daneben eine schöne Holzbank und ein kleiner Baum im Topf, da könnte sie morgens ihren Kaffee trinken, und die Einfahrt, die würde sie … Da brach es über die beiden herein. Nein, das Haus war nicht das Problem, das war vollkommen in Ordnung. Doch trotz der Abendsonne fiel ein dunkler Schatten auf das Grundstück, begleitet von einem Rauschen, einem Dröhnen, einem regelrechten Donnergrollen. Das Unheil war gekommen.

„Ein Flughafen mitten in der Stadt ist doch reiner Wahnsinn“

Ein Flugzeug! Direkt über ihren Köpfen, so nah, dass sie die Schweißnähte sehen konnten, so laut, dass sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstanden hätten, hätte es ihnen nicht eh die Sprache verschlagen. Danach: Totenstille. Bis zum nächsten Donnergrollen.

Das Haus lag mitten in der Flugschneise. Wie hatten sie das übersehen können? Klar, von Fluglärmgegnern hatten sie gehört, Schauergeschichten von Menschen, die mit Blick auf die Startbahn wohnen, aber die Flugzeuge selbst eben noch nicht, jedenfalls nicht an ihren bisherigen Wohnorten in Rotherbaum und Eimsbüttel. Und auch nicht bei den wenigen überhaupt infrage kommenden Objekten, die sie bislang besichtigt hatten. „Ein Flughafen mitten in der Stadt“, sagte meine Freundin, die das Ausmaß erst in dem Moment realisiert hatte, „das ist doch reiner Wahnsinn!“

250.000 Menschen sind in Hamburg und Umgebung betroffen

Willkommen im Leben von rund 250.000 Menschen, die nach Angaben des BUND und der Bürgerinitiative für die Reduzierung der Belastungen des Luftverkehrs in Hamburg und Schleswig-Holstein von Fluglärm betroffen sind – in, aber auch deutlich außerhalb der Schutzzonen. Wer eine Immobilie sucht und das Glück hatte, bislang abseits des Donnergrollens zu leben, den trifft die Erkenntnis, wie viele Ortsteile lärmtechnisch eigentlich unbewohnbar sind, wie ein Schlag mit der Tragfläche. Andere sind natürlich schon weiter, checken vor jeder Hausbesichtigung den Flugradar, rechnen die durchschnittliche Anzahl der Starts und Landungen aus, studieren Windrichtungen.

Doch nichts kann einen auf den Moment vorbereiten, wenn der erste Flieger plötzlich über dem potenziellen Eigenheim auftaucht. Richtig schlimm traf das auch eine gute Bekannte mit einem Haus in Osdorf, immerhin gut 15 Kilometer vom Flughafen entfernt. Zahlreiche Male waren sie und ihr Mann vor Ort gewesen, alles friedlich, bis zwei Tage vor dem Notartermin.

Hamburger Immobilienmarkt: Der Traum ist geplatzt

Da kamen die Unheilsbringer, einer nach dem anderen, und während meine Bekannte, die in der Gegend aufgewachsen war, sie kaum wahrnahm, fiel ihr Mann in Schockstarre. Seine Ohren dröhnten, im Kopf rauschte es, das Herz hämmerte. Hier konnte er nicht wohnen!

Der Traum vom Haus geplatzt, ein Alptraum für alle Beteiligten. Das Donnergrollen, als der Notar abgesagt wurde: Man konnte es bis Fuhlsbüttel hören.