Hamburg. Angesichts des knappen Angebots wird auf der Suche nach dem Traumhaus wird mit allen Tricks gearbeitet. Das kann teuer werden.

Was waren das für glückliche Zeiten, als die Antwort auf die Frage, wo man wohnen möchte, noch darin bestand, sich zwischen Elternhaus und WG-Zimmer zu entscheiden. Als ich mit einer Freundin meine erste Wohngemeinschaft gegründet habe, hatten wir die freie Auswahl – und zwar im wahrsten Sinne. Die erste Wohnung, die wir besichtigten, war ein klassischer Altbau mit zwei Zimmern, Küche, Bad und Balkon im ersten Stock eines netten Mehrfamilienhauses. Wir wollten sie sofort haben, doch der Hausverwalter bremste uns. Ob wir die anderen Wohnungen denn nicht noch sehen wollten? Und so zeigte er uns auch noch eine im zweiten OG und eine im Dachgeschoss, allesamt leerstehend.

Sucht euch eine aus, sagte der Verwalter. Wir sollten einfach in der kommenden Woche Bescheid geben. Ganz ehrlich, wo gibt es denn so was? Ich sag’s Ihnen: Mitten in Hamburg – im Herzen von Eimsbüttel nahe der Osterstraße. Gab es zumindest.

Castings bei der Suche nach einem WG-Zimmer

Zugegeben, mein Studienbeginn liegt schon einige Jahre zurück, aber wir sprechen immerhin noch von diesem Jahrtausend. Hört sich allerdings an wie eine Erzählung aus einem anderen Leben. Den Kontakt zum besagten Hausverwalter hatte damals übrigens eine Bekannte hergestellt. Sie hatte sich für eine andere Wohnung entschieden und war froh, uns als Ersatz vermitteln zu können – sie hatte schon ein schlechtes Gewissen und Sorge gehabt, dass der Vermieter so schnell keinen Ersatz finden würde. Glückliche Mieter-Zeiten.

Die aber schnell vorbei waren. Während meiner Studentenzeit konnte man das Anziehen des Immobilienmarktes insofern beobachten, als Freunde bei der Suche nach einem WG-Zimmer zunächst Bewerbungsgespräche führen und später regelrechte Castings durchlaufen mussten, Probe-Putzen und -Kochen für alle anderen Bewohner inklusive.

Wohnungsgesuche an Laternenpfeilern mit der Aussicht auf eine Belohnung

Für meine erste eigene Wohnung stand ich dann auch bei Massenbesichtigungen in Schlangen an, die einmal durch das Treppenhaus bis auf die Straße reichten. Da fing es an, dass Mitbewerber dem Makler unter der Hand 100 Euro boten, wenn er ihre Mappe ganz oben auf den Stapel für den Vermieter legen würde. Und Wohnungsgesuche an Laternenpfeilern mit der Aussicht auf eine Belohnung ausgehängt wurden.

Diese Zettel mit Telefonnummern zum Abreißen gibt es übrigens immer noch. Oder besser gesagt: Sie sind wieder voll im Trend. Um sich von der Masse an Suchenden in den Online-Portalen abzuheben, setzt man auf die Kraft der nachbarschaftlichen Follower-Power, und nur für den Fall, dass das sympathisch-humorvolle Kurzporträt nicht als Auswahl-Argument für den Vermieter reichen sollte, hat man die möglichen Belohnungen geringfügig aufgestockt, auf mehrere Tausend Euro.

Eine erfolgreiche Vermittlung wird belohnt

Sympathie hin oder her, wenn die Gehaltsnachweise nicht stimmen und man nicht bereit ist, den geforderten Abstand für die schwedische Einbauküche zu zahlen, erhalten andere den Zuschlag. Gerne die, die anbieten, nach Einzug selbst zu streichen, und bei dem Wort Staffelmiete nicht mit der Wimper zucken.

Wer heutzutage ein Haus kaufen möchte, muss natürlich noch einen Gang höher schalten. Aus Pfeiler-Gesuch in Klarsichtfolie wird der Hochglanzflyer, den die suchende Familie beim Spaziergang durchs Wunschviertel in sämtliche Briefkästen wirft. Neben dem fröhlichen Familien-Schnappschuss wird um einen Tipp gebeten, falls jemand jemanden kennt, der sein Eigentum verkaufen möchte. Für einen Hinweis sei man sehr dankbar, heißt es, doch da man sich davon bekanntlich nichts kaufen kann, wird eine erfolgreiche Vermittlung natürlich auch in diesem Fall belohnt: mit 25.000 Euro.

700 Euro für 13-Quadratmeter-Zimmer in der WG

Im Übrigen für Häuser, die vor zehn Jahren noch um die 300.000 Euro gekostet haben und heute für 700.000 angeboten werden – was nicht heißt, dass sie auch für diesen Preis den Besitzer wechseln. Bei so vielen Bewerbern hilft nur ein blindes Gebotsverfahren, bei dem alle Interessenten eine Kaufsumme nennen, die sie bereit sind, zu zahlen – ohne zu wissen, wie hoch die anderen gehen. Wer am meisten geboten hat, bekommt den Zuschlag. Und darf das teuer erkaufte Eigenheim dann erstmal grundsanieren. Falls man dafür einen Handwerker bestechen kann.

Zurück zur glücklichen WG-Zeit. Der Sohn von Bekannten ist vor Kurzem in eine Wohngemeinschaft ebenfalls nahe der Osterstraße gezogen. Sein 13-Quadratmeter-Zimmer kostet 700 Euro. Doppelt so viel wie unsere gesamte Wohnung damals. Dafür musste er nicht probehalber das Bad schrubben. Für 50 Euro extra im Monat gibt es die Putzfrau inklusive.