Am Sonnabend entscheidet der HSV-Aufsichtsrat über die Zukunft von Vorstandschef Bernd Hoffmann. Was man jetzt beachten sollte.

Bernd Hoffmann hat schon einmal eine bittere Erfahrung mit einer Abstimmung im HSV-Aufsichtsrat machen müssen. Am 6. März 2011 fehlte dem Vorstandsvorsitzenden im zwölfköpfigen Gremium eine Stimme für seine Vertragsverlängerung. Sieben Räte votierten für ihn, fünf gegen ihn. Eine Zweidrittelmehrheit wäre notwendig gewesen.

Die Vorwürfe der Kritiker damals, in Kurzform, betrafen die Bereiche Teamfähigkeit, Menschenführung und angeblich zweifelhafte Geschäfte, die später sogar in einem Gutachten untersucht wurden. Der Aufsichtsrat sah aus juristischer Sicht jedoch keine Verwertbarkeit.

Bernd Hoffmann: Strategiefähigkeit hat er

Vor neun Jahren hätte man wohl viel Geld verdienen können mit einer Wette, dass Hoffmann noch einmal auf den Vorstandssitz zurückkehren würde. Wer dies nicht für möglich hielt, unterschätzte die Strategiefähigkeit des heute 57-Jährigen, der in der HSV-Satzung genau erkannte, wie und vor allem wann sein Comeback möglich wäre. In der Krise des HSV in der Saison 2017/18, die in den Bundesliga-Abstieg mündete, präsentierte sich Hoffmann geschickt als geeigneter Krisenmanager im Wahlkampf um das Präsidentenamt, den er hauchdünn gegen Jens Meier gewann.

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Auch wenn Hoffmann dies nie offen kommunizierte, so war der Chefposten im e. V. nur eine Zwischenstation, weil er so automatisch Mitglied des Aufsichtsrats in der AG wurde und sich dort die Mehrheit für eine Rückkehr in den Vorstand sichern konnte. Im Mai 2018 übernahm er die operative Führung zunächst interimsmäßig, sechs Monate später stattete ihn der Aufsichtsrat mit einem Dreijahresvertrag bis 2021 aus.

Ralf Becker war nicht Hoffmanns Wunschlösung

Und der „Hoffmannsträger“, wie ihn das Abendblatt 2018 betitelte, bewies, dass er frühere Versäumnisse detailliert analysiert und seine Lehren gezogen hatte. Anders als 2009, als er es nach dem Abgang von Dietmar Beiersdorfer versäumte, sofort einen Sportchef zu verpflichten, holte er zügig Ralf Becker aus Kiel, obwohl dieser nicht seine Wunschlösung war.

Genoss Beiersdorfer früher die Sympathien der Fans, so mangelte es Hoffmann öffentlich am „HSV-Herz“, wie es die Führung in einem internen Papier selbst einmal zugab. Nur ein Zufall also, dass sich der HSV plötzlich als Vorreiter in Sachen Pyro betätigte? Und auch den früher beklagten Mangel an Präsenz in den Gremien der Deutschen Fußball Liga versuchte er zu beseitigen, indem er sich gleich bei drei unterschiedlichen Wahlen bewarb – und es beim dritten Anlauf immerhin noch in den DFL-Aufsichtsrat schaffte.

Das wollen Jonas Boldt und Frank Wettstein

Und doch scheint aus dem „Hoffmannsträger“ innerhalb von nur gut zwei Jahren der „Hoffmannslose“ geworden zu sein. Dass die zwei Vorstände Frank Wettstein und Jonas Boldt eine weitere Zusammenarbeit mit Hoffmann ausschließen, ist ein einmaliger Vorgang. Wieder einmal geht es um Machterhalt und -erlangung. Fakt ist, dass sich der siebenköpfige Aufsichtsrat bei der Krisensitzung morgen mit den gleichen Themen beschäftigen muss wie seine Vorgänger. Und die Führung ist gleichermaßen geteilt in Hoffmann-Jünger und -Gegner.

Der schlechteste Ausgang der Aufsichtsratssitzung? Eindeutig der krampfhafte Versuch eines „Weiter so“ in der derzeitigen Konstellation. Der Aufsichtsrat muss Entscheidungen treffen und sich fragen: Wer ist in dieser Ausnahmesituation durch Corona verzichtbar und wer nicht? Wettstein hält zwei Trümpfe in der Hand: Er hat bewiesen, dass der HSV in schwieriger Lage liquide geblieben ist, und er hält den Kontakt zu Klaus-Michael Kühne, der in einer Notlage noch wichtig werden kann. Ein Nachteil für Hoffmann, der sich bewusst vom Investor distanziert hatte. Außerdem würde ein Abgang Hoffmanns die HSV-AG dank einer Vertragsklausel in diesem Sommer keine Abfindung kosten.

Hoffmann fehlt eine Kernkompetenz

Zweiter Nachteil: Anders als Boldt, der zudem mit Trainer Hecking gut harmoniert, kann Hoffmann keine herausgehobenen Kompetenzen im Kernbereich Sport vorweisen. Drittens ist er in seinem Amt bereits jetzt massiv beschädigt. Es wäre also keine Überraschung, würde Hoffmanns zweite Ära am Sonnabend (einfache Mehrheit genügt) enden. Aber bei seinen Comeback-Qualitäten sollte man nie darauf wetten.