Bernd Lucke und die Proteste: Hariolf Wenzler antwortet auf den Abendblatt-Beitrag von Uni-Präsident Dieter Lenzen.

Universitätspräsident Dieter Lenzen hat in einem Beitrag für diese Zeitung die Gelegenheit genutzt, die Rolle der Universität Hamburg in unserer (Stadt-)Gesellschaft zu verorten. Die Universität, so Lenzen, sei es leid, für gesellschaftliche Debatten herhalten zu müssen. Hochschulen seien Orte des Forschens und Lehrens, das jeweils in Hörsälen oder Laboren stattfinde.

Damit bei den Hamburgern nun nicht der Eindruck entsteht, Herr Lenzen spreche für alle Hochschulen – auch wenn er im Plural formuliert – seien zwei Beispiele Hamburger Hochschulen angeführt, die sich explizit nicht nur als Bestandteil, sondern als Gestalter in dieser Gesellschaft verstehen.

Bucerius Law School: Debattenkultur soll gelernt werden

Die Bucerius Law School versteht sich ausdrücklich als Ort des gesellschaftlichen Diskurses. Einladungen an Politiker sind ein wesentlicher Bestandteil der akademischen Auseinandersetzung. Für die Studierenden sind die Diskussionen eine Chance, das eigene Argument zu schärfen, Debattenkultur zu lernen und selbst im Meinungsstreit zu wachsen.

Und das ganz bewusst nicht nur aus dem Lehrbuch, sondern mit handelnden Menschen: Von Angela Merkel und Gerhard Schröder über Gregor Gysi und Christian Lindner. Dort stritten amerikanische Neokonservative wie Robert Kagan und der Wahlkampfmanager von Hillary Clinton, John Podesta, der EU-Kommissionspräsident José Barroso und die IWF-Chefin Christine Lagarde.

Auch Thomas de Maiziere wurde von Studenten hart angegangen

Aber auch um Hamburger Perspektiven wurde gerungen: Ole von Beust und Olaf Scholz, Katja Suding und Katharina Fegebank stellten sich der Diskussion. Thomas de Maizière hatte übrigens auch an der Bucerius keinen leichten Stand und wurde von den Studierenden hart angegangen – aber eben mit Argumenten, nicht mit Trillerpfeifen wie jüngst in Göttingen.

Natürlich ist die Bucerius Law School im Kern eine juristische Hochschule, an der exzellente Lehre und herausragende Forschung stattfindet. Aber eben nicht nur. Sie nimmt Teil am öffentlichen Diskurs und öffnet sich bei Veranstaltungen bewusst in die Stadt hinein.

Die Komfortzone des Hörsaals verlassen

Die Hamburg School of Business Administration (HSBA), von der Handelskammer gegründet und mit mehr als 250 Partnerunternehmen die Hochschule für den Führungsnachwuchs der Wirtschaft, hat jüngst einen eigenen Innovation Hub namens SQUARE gegründet, um die Firmen dieser Stadt bei den Herausforderungen der Digitalisierung zu unterstützen.

In einem „Ecosystem“ mit Professoren, Beratern und Studierenden stellen sich vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern Teams auf, um an neuen Produkten und Ideen, an digitalen Lösungen und Prozessen zu arbeiten.

Natürlich ist die HSBA im Kern eine Wirtschaftshochschule. Aber eben nicht nur. Sie öffnet sich hinein in die Herausforderungen der echten Wirtschaft, verlässt die Komfortzone des Hörsaals und wird zum Treiber und Mitgestalter der Zukunft des Wirtschaftsstandorts.

Hochschule als Ort des gesellschaftlichen Diskurses

Die beiden Beispiele zeigen, wie man Hochschule auch verstehen kann. Nicht als Rückzug in den Elfenbeinturm, hinter Bücher und Reagenzgläser, sondern als gestaltender Teil eines Gemeinwesens, als Ort des gesellschaftlichen Diskurses oder der Gründung und Entwicklung von Geschäftsideen und Unternehmen.

In den USA werden Politiker zu ihren bedeutendsten Auftritten an Universitäten eingeladen, nicht ausgeladen. Das Silicon Valley wäre ohne die Universität Stanford nicht denkbar, ebenso wenig die Medizintechnologie in Boston ohne Harvard und MIT. Die Universität Hamburg hat sich positioniert. Bucerius und HSBA zeigen: Man kann das auch anders sehen, mit Erfolg und Wirkung in Wirtschaft und Gesellschaft hinein.