Hamburg. Präsident Dieter Lenzen und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank reagieren in der Lucke-Affäre hasenfüßig.
Vom Himmel in die Hölle ist es nur ein Katzensprung: Vor gerade einmal drei Monaten feierte sich die Uni unter der Überschrift „Himmlisch: Universität Hamburg ist jetzt Exzellenzuniversität“. Tatsächlich ist der Aufstieg der Hochschule, oft als mittelmäßige Massenuni belächelt, ein beeindruckender Erfolg. Ein Erfolg, den sich die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und Universitätspräsident Dieter Lenzen so berechtigt wie stolz ans Revers heften. Lenzen, der die Uni schon als „deutsches Oxford“ sieht, versprach im Juli: „Alle Crewmitglieder und Mitfahrenden auf der großen Reise vor uns werden eng zusammenarbeiten, um den Erfolg niemals zu gefährden und der Stadt Hamburg weiterhin zu dienen. Diese Fahrt wird einfach himmlisch werden.“
Am vorvergangenen Mittwoch ist die Fahrt zum Höllenritt geworden – und das Krisenmanagement von Lenzen und Fegebank zur Katastrophe. Man kann der Hochschule nicht vorwerfen, dass intellektuelle Leerkörper den Lehrkörper Bernd Lucke aus dem Saal brüllten und schubsten. Der AfD-Gründer, der 2015 aufgrund des rechtsradikalen Kurses aus der Partei austrat, wurde als „Nazi-Schwein“ beschimpft. Tumulte im Hörsaal, Fahnen der Antifa, „Hau ab“-Rufe, fliegende Gegenstände und ein Dozent auf der Flucht sind ein Tiefpunkt demokratischer Auseinandersetzung. Bis ins Ausland ließ aber die Erklärung von Lenzen und Fegebank aufhorchen. Nach leiser Kritik hieß es da: „Unabhängig davon ist festzustellen, dass Universitäten als Orte der Wissenschaft die diskursive Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen führen und aushalten müssen – insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ ätzte: „Am Mittwoch war die Universität tatsächlich nicht mittelmäßig, sie war unterirdisch.“
Schlimmer noch: In dieser Woche wiederholte sich das unselige Spektakel selbst ernannter „Antifaschisten“. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, brüllte eine Gruppe von etwa 30 jungen Menschen, während später 15 von ihnen in den Hörsaal eindrangen und die Vorlesung sprengten. Warum sie das machen? Weil sie es können.
Dabei hätte die Universität die freie Lehre zur Not mit der Polizei durchsetzen müssen. „Wir kommen wieder“, hatten die Störer angedroht – und Wort gehalten. Sie treffen auf viel Unterstützung und klammheimliche Sympathien: Sogar der Mediareferent im Bundestagsbüro von Außenminister Heiko Maas twitterte: „Bernd #Lucke ist der Gründer der erfolgreichsten deutschen Nazi-Partei seit der NSDAP. Er hat in einem Vorlesungssaal nichts verloren.“ Hmm.
Ein Student darf vielleicht so denken, ein kluger Demokrat muss weiterdenken: Die Krawalle mögen dem Ego der Krakeeler dienen, ansonsten profitieren nur die Rechten. So machte die AfD den Vorfall zum großen Thema in der Bürgerschaft und inszenierte sich in ihrer Lieblingsrolle als Opfer – obwohl Lucke klar 2015 mit der AfD gebrochen hatte. Zugleich ist das Signal verheerend: Auch AfD-Aussteiger dürfen nicht mit Gnade rechnen – so schließen sich die Reihen.
Derweil gibt es neue peinliche Vorwürfe an die Uni. FDP-Chef Christian Lindner sollte auf Einladung der Liberalen Hochschulgruppe in Hamburg diskutieren – er bekam ein Auftrittsverbot. Drolligerweise durfte am Montag Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht an der Uni bei der Veranstaltung „Modern Money Theory in Ökonomie, Gesellschaft und Politik“ sprechen. Dabei handelte es sich laut Uni um eine „Diskussionsveranstaltung zwischen zwei wirtschaftswissenschaftlichen Positionen“. Es muss eine total kontroverse Diskussion gewesen sein: Die Moderation übernahm der Linken-Abgeordnete und Wagenknecht-Vize Fabio De Masi, der über seine Bundestagsadresse einlud. Organisatoren waren die ISSMA-Kampagne (International solidarisch: Schluss mit Austerität) und die Hochschulgruppe Plurale Ökonomik Hamburg. Letztere ist übrigens Teil der Anti-Lucke-Bewegung.
Prinzipiell ist jede Debatte an der Universität zu begrüßen – Hochschulen müssen diskussionsfreudig und streitlustig sein. Vielfalt, Toleranz, Respekt und Chancengleichheit sind dabei nötige demokratische Spielregeln. Wenn die Universität Hamburg nach den Chaoswochen zurück auf Erfolgskurs will, müssen Katharina Fegebank und Dieter Lenzen mutiger und klarer werden.