Ja, Instagram-Stars leben aufregend. Aber ohne Kamera verschwindet oft das Lächeln. Eindrücke von einer Reise nach Las Vegas.

Wenn mich jemand als Teenager gefragt hat, was ich später einmal werden will, lautete meine Antwort stets: Ich möchte wie Karla Kolumna eine rasende Reporterin werden. Das war mein absoluter Wunschberuf. Meine Freundinnen träumten stattdessen davon, Tierärztin, Anwältin oder Sängerin zu werden. Und die Jungs trainierten fleißig auf dem Rasenplatz hinter der Schule für ihre Fußballkarriere. Tja, und jetzt? Die Trendberufe meiner Jugend sind out. Heute wollen hippe, junge Menschen YouTuber, Blogger oder Instagram-Star werden.

In der vergangenen Woche durfte ich mit anderen Journalisten nach Las Vegas (Nevada/USA) reisen. So viel vorweg: Der Trip zählt definitiv zu den aufregendsten Erfahrungen meines Lebens. Die Stadt fühlt sich an wie eine Parallelwelt mitten in der Wüste. Surreal. Nichts scheint hier unmöglich. Das Kolosseum aus Rom, die Freiheitsstatue aus New York und der Eiffelturm aus Paris ragen in den Himmel. Die US-Amerikaner haben einfach berühmte Sehenswürdigkeiten für die Skyline von Las Vegas nachgebaut. Hinzu kommen Spielautomaten so weit das Auge reicht. Und ja, auch schlechte Elvis-Imitatoren und betrunkene Bräute laufen durch die funkelnden, bunt beleuchteten Straßen. Aber: Vegas – und vor allem seine Umgebung – besteht aus so viel mehr als Casinos, Shows und Hochzeitskapellen.

Eine absolute Bereicherung waren die Menschen, die mich auf meinem Trip begleitet haben. Sie kamen aus der ganzen Welt: aus Kanada, Kolumbien, England, Indien, Australien und China. Sie arbeiten nicht nur als klassische Printjournalisten für Zeitungen und Magazine, sondern auch als Blogger und Influencer. Ihre Welt hautnah zu erleben war besonders faszinierend. Und speziell ...

Die allgemeine Vorstellung von diesem neumodischen Berufsfeld sieht ungefähr so aus: Ein Influencer (der Begriff kommt von dem englischen Wort „to influence“ und bedeutet „beeinflussen“) postet in den sozialen Netzwerken ein paar Schnappschüsse von den schönsten Orten dieser Welt, lässt die Öffentlichkeit an seinem ach so perfekten Leben teilhaben und finanziert sich seinen Unterhalt mit Produktempfehlungen von kleinen und großen Firmen. So weit das Klischee. Ziemlich einfach verdientes Geld. Oder?

Nein. So leicht funktioniert das Geschäft dann doch nicht. Das hat mich die fünftägige Reise nach Las Vegas gelehrt. Eine kanadische Influencerin, die zu unserer Gruppe gehörte, hat im Alter von 15 Jahren mit ihrem Blog begonnen. Jetzt, mit 21, hat sie die Uni geschmissen und 200.000 Follower bei Instagram. Mit dieser Reichweite verdient man ein Gehalt, von dem normalsterbliche Journalisten nur träumen können. Die Crème de la Crème der Szene kann mit einer (!) Werbekampagne mehr als 25.000 Dollar verdienen. So wie Bianca Heinicke. Mehr als 5,6 Millionen Fans haben den YouTube-Kanal „BibisBeautyPalace“ der 26-Jährigen abonniert. Eine unfassbare Zahl, die nur die wenigsten Influencer vorweisen können.

Ein Privatleben ist dann kaum noch möglich. Instagram-Stars sind ständig auf der Suche nach dem perfekten Fotomotiv. Dahinter steckt harte Arbeit. Schon wir Normalos sind im Alltag schwer damit beschäftigt, Bilder von unserem leckeren Essen, den coolen Reisen und den berauschenden Partynächten zu teilen. Wie geht es erst professionellen Influencern?

Viele von ihnen haben schon so viel von der Welt gesehen, dass sie nur noch schwer zu beeindrucken sind. 30 Kilometer entfernt von Las Vegas liegt die Kleinstadt Boulder City. Von hier aus fliegen täglich Helikopter über den Grand Canyon. Der Ausblick ist atemberaubend. Ich hätte heulen können vor Glück, dass ich diesen Flug erleben durfte. Der Influencer (genauso wie der Tourist) hingegen sieht die gewaltigen Felsen durch die Kameralinse.

Die Follower daheim sind trotzdem beeindruckt. Sie vergleichen ihr Leben mit dem des Bloggers und befinden ihr eigenes meist als langweilig. Was man bei Social Media aber nicht sieht: So manch ein Lächeln verschwindet, wenn die Kamera aus ist. Klar, nie waren die Chancen größer, als junger Mensch um die Welt zu reisen. Das ist wunderbar. Doch dabei sollte man nicht den Blick für das Schöne verlieren. Deswegen möchte ich lieber Karla Kolumna sein.