Früher war man cool, wenn man hinter der Schulaula heimlich rauchte. Heute verzichtet man auf Plastik und rettet die Welt.

Als Reporterin in Norderstedt durfte ich in den vergangenen Wochen immer wieder beeindruckende Menschen kennenlernen: Zum Beispiel Carlotta Dietze. Sie engagiert sich in ihrer Stadt für Obdachlose. „Wir sollten nicht mit Scheuklappen an ihnen vorbeigehen. Wir müssen hinsehen und mit ihnen sprechen – vielleicht geben wir ihnen ein Stückchen Hoffnung“, sagt Carlotta. Gemeinsam mit ihrer Kirchengemeinde sammelt sie Spenden, übergibt Obdachlosen Ikea-Taschen mit Decken, Schals, Mützen, Handschuhen, Socken, Hustenbonbons und Pflaster. Carlotta ist 16 Jahre alt.

Jan Ohe organisiert die „Fridays for Future“-Demonstrationen in Norderstedt. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“, brüllt er beim Marsch in sein Megafon. Hunderte Schüler stimmen ein. Jan kämpft für den Klimaschutz – und gegen die Politik. Dass er eine Doppelstunde Mathe verpasst und unentschuldigte Fehlstunden aufgeschrieben bekommt, stört ihn nicht. Er rettet lieber die Welt. Jan ist 16 Jahre alt.

Und dann wäre da noch Nisa Tosun. Sie setzt auf Nachhaltigkeit. Innerhalb von sechs Wochen organisiert sie einen Kleidertausch in Norderstedt. Das Prinzip: Wer seinen Schrank ausmistet, darf die ungeliebte Kleidung gegen „neue“, aber ebenfalls gebrauchte ersetzen. Den Erlös über 1250 Euro spendet Nisa für einen guten Zweck. Sie ist 28 Jahre alt.

Ja, ich finde es bemerkenswert, wie junge Leute sich für eine bessere Welt einsetzen. Und was sie in ihrem Alter bereits alles schaffen! Bisher haben Medien und Soziologen die heutige Jugend als politisch desinteressiert, ichbezogen und faul abgestempelt. Doch durch Protestaktionen wie „Fridays for Future“, die durch die 16 Jahre alte Greta Thunberg aus Schweden ins Leben gerufen wurden, erleben wir gerade einen Imagewandel. Und diesen haben wir vor allem den unter 20-Jährigen zu verdanken.

Sie gehen für ihre Interessen vermehrt auf die Straße, sind selbstbewusster und fest entschlossen, etwas in der Gesellschaft zu verändern. So lauten zumindest die Klischees, die Forscher für sie ermittelt haben. Was würden wir bloß ohne unser Schubladendenken machen? Nun gut. Jedenfalls bekommt die Generation Z (grob Jahrgang 1997 bis 2012) immer mehr Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit – und löst so langsam, aber sicher ihren Vorgänger ab: die Generation Y. Über sie haben sich schon sämtliche Autoren, Wissenschaftler und Ahnungslose ausgelassen. Sie haben die „Ypsiloner“, zu denen ich als Jahrgang 1992 ebenfalls zähle, kritisiert, verunglimpft, verurteilt. Doch wir sind durchgekauter als ein altes Kaugummi. Die Nächsten, bitte. Klar ist: Die Nachfolgegeneration profitiert von der Entwicklung im gesamten Land. Wir ernähren uns bewusster, verzichten zunehmend auf Plastik und interessieren uns für den Klimawandel (zumindest viele). Das färbt auf die Jugend ab. Hinzu kommt: Über Facebook und WhatsApp ist es kinderleicht, sich zu vernetzen. Ruck, zuck ist eine Demo oder ein Spendenprojekt organisiert. Allerdings: Technische Hilfsmittel stehen den älteren Generationen inzwischen genauso zur Verfügung. Man muss sie nur nutzen.

Wenn ich engagierte Jugendliche wie Carlotta oder Jan treffe, frage ich mich immer: Was hast du eigentlich mit 16 Jahren Tolles fabriziert? Gilt es als besondere Leistung, alle 150 Pokémon aufzählen zu können? Bei uns in der Schule gehörtest du früher zu den Coolen, wenn du heimlich hinter der Aula geraucht hast. Heute ernähren sich die Anführer vegan, machen keinen Führerschein mehr und arbeiten nach den Hausaufgaben an der Idee für ihre eigene Biermarke. Ja, Zeiten ändern sich.

Da aber „diese jungen Leute von heute“, wie es oft heißt, gern über einen Kamm geschert werden, poliert die neue Protestgeneration auch das schlechte Image der „Ypsiloner“ auf. Danke dafür! Fest steht natürlich: Nicht jeder 18-Jährige interessiert sich automatisch für Politik und kämpft für den Kohleausstieg. Muss er auch nicht. Dennoch bewegt sich etwas. Das ist deutlich zu spüren. Und ja, das macht mich irgendwie stolz. Ich habe nämlich immer noch das Gefühl, dass Menschen aufgrund ihres Alters nicht ernst genommen werden. Nicht nur Carlotta, Jan und Nisa beweisen, dass das ein Fehler ist ...