Gerede bis nach China: Beschämend, wie sich das Ehrenamt der Kammer aufgeführt hat. Die Machtkämpfe schaden der Hamburger Wirtschaft.

Das Wort „Chaos“ kommt den Ereignissen, die sich im Jahr 2018 in der Hamburger Handelskammer zugetragen haben, doch sehr nahe. Nicht wenigen Unternehmern, die das Gebaren der altehrwürdigen Interessenvertretung der lokalen Wirtschaft schon länger verfolgen, dürfte der Begriff „Chaos“ sogar nicht weit genug gehen – und auch ihnen kann man beipflichten.

Bringen wir es auf den Punkt: Es war beschämend, wie sich das neu gewählte Ehrenamt der Kammer – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in den vergangenen zwölf Monaten aufgeführt hat. Selbst bei der traditionsreichen Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns ging es am Montag nicht nur um den Ist- und Sollzustand von Wirtschaft und Politik in der Stadt. Ein zentraler Punkt der Hauptreden und der Gespräche am Rande war das desolate Erscheinungsbild der Handelskammer.

Die Rebellen haben das Ansehen "komplett verspielt"

Nun könnte man die Streitereien und Intrigen der sogenannten Rebellen, die im Frühjahr 2017 mit falschen Versprechen die Wahl zum Plenum gewonnen haben, als Machtspiele erwachsener Männer auf Kindergarten-Niveau abtun, wäre da nicht die weiterhin enorme Strahlkraft der Institution am Adolphsplatz – über die Grenzen der Hansestadt hinaus. Hamburgs Airbus-Chef Georg Mecke brachte es bei der Plenarsitzung Mitte Dezember auf den Punkt, als er von der einst „hohen Achtung der Kammer im In- und Ausland“ sprach, welche die neuen Machthaber „komplett verspielt“ hätten.

Im Klartext: Selbst in China, Frankreich und Großbritannien schüttelt man über Hamburgs einst wichtigste Wirtschaftsvertretung den Kopf. Ein unhaltbarer Zustand.

Es wird Zeit, dass diejenigen, die bis zu den nächsten Plenarwahlen Anfang 2020 die Verantwortung im Ehrenamt tragen, ihre Eitelkeiten zurückstellen und sich als das verstehen, was sie eigentlich sein sollten: respektable Vertreter der Hamburger Wirtschaft. In gut einem Jahr haben schließlich die Unternehmer in der Stadt das Wort. Dann können sie ein neues Plenum wählen, das sie hoffentlich würdiger als in den vergangenen gut eineinhalb Jahren repräsentieren wird.

Darum braucht die Wirtschaft eine starke Handelskammer

Die sogenannten Rebellen haben inhaltlich versagt, daran kann es keine Zweifel geben. Sie haben weder – wie versprochen – die Pflichtbeiträge abgeschafft, noch haben sie auch nur einen einzigen Akzent gesetzt, der Hamburgs Wirtschaft nach vorne gebracht hat. Und dennoch haben sie mit ihrer zum Teil kindlichen Naivität auch etwas bewegt. Sie haben verkrustete Strukturen aufgebrochen, die Kammerarbeit transparenter gemacht und damit einen überfälligen internen Reformprozess in Gang gesetzt.

Und sie haben mit ihrem selbst initiierten Chaos ungewollt dafür gesorgt, dass Vertreter der etablierten Wirtschaft, die sich zuvor kaum noch für „ihre“ Kammer engagierten, plötzlich wieder lautstark mitmischen, offensichtlich sogar mitgestalten wollen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Engagement von Dauer sein wird.

Nicht wenige Unternehmer in der Stadt haben sich über Jahrzehnte gefragt, wozu sie die Handelskammer überhaupt brauchen, warum sie Pflichtbeiträge überweisen müssen. Beim Blick auf die vergangenen gut eineinhalb Jahre sollte auch dem schärfsten Kritiker klar geworden sein: Eine engagierte, inhaltlich wertvolle und nicht zuletzt serviceorientierte Kammerarbeit ist wichtig – für Hamburgs Wirtschaft insgesamt, aber auch für jedes einzelne Unternehmen. Hoffentlich hat das Kammer-Chaos wenigstens zu dieser Einsicht beigetragen.