Stadt und Freiwillige müssen im Flüchtlingsdrama am Hauptbahnhof zusammenarbeiten
Das ganze Drama ist an einer Stelle sichtbar, jede Nacht im Herzen der Stadt. Durch die Wandelhalle des Hauptbahnhofes wanken Flüchtlinge, dabei sind viele Kinder, sie haben Hunger, sie kommen oder können nicht mehr weiter, sie brauchen ein Bett, wenigstens für eine Nacht. Denn dann soll ihre Flucht weitergehen – Richtung Skandinavien.
Es ist bequem zu glauben, Hamburg sei deshalb nur begrenzt zuständig. Das Gegenteil ist zutreffend: Gerade auch am Hauptbahnhof wird für alle sichtbar, ob Hamburg die Flüchtlingskrise bewältigt oder nicht. Doch ausgerechnet hier gibt die Stadt ein zunehmend unwürdiges Bild ab.
Dies liegt nicht an den meist jungen Freiwilligen in grellbunten Leibchen, die in jeder Nacht vor Ort sind. Sie leisten Überragendes, arbeiten 50, manchmal 70 Stunden die Woche. Städtisches Personal war in der alltäglichen Krisenbewältigung am Bahnhof dagegen nie präsent. Dafür gibt es rechtliche Gründe: Aus bürokratischer Sicht wird in der Wandelhalle illegale Durchreise unterstützt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Behörden sich gern auf die Leibchenträger verließen. Denn über Wochen musste täglich eine neue Baumarkthalle für die in Hamburg bleibenden Flüchtlinge gefunden werden, die Stadt taumelte selbst am Rand des Kollaps.
Doch die Situation hat sich verändert, auf beiden Seiten. In den vergangenen Tagen sind die Freiwilligen am Ende ihrer Kraft und Ausdauer angelangt. Mit dem schwedischen Nein zu weiteren Flüchtlingen wird die Zahl der Gestrandeten am Hauptbahnhof in den nächsten Wochen eher steigen. Der Großeinsatz der Feuerwehr in der Nacht zu Freitag war ein sehr sichtbares Zeichen dafür, wie sich die Situation zuspitzt.
Zeitgleich bleibt den städtischen Behörden nach Monaten wieder etwas Luft. Man hat inzwischen genug Standorte und Strukturen für die Flüchtlinge in Hamburg gefunden, um mittelfristig die weitere Krisenstrategie abzustecken. Darauf kann die Verwaltung stolz sein, wenngleich kein Grund zur Entspannung besteht.
Die Situation am Hauptbahnhof gehört nun stärker in den Fokus der Stadt. Tatsächlich war auch die Politik hinter den Kulissen daran beteiligt, weitere Notquartiere in der City zu organisieren. Diese Art der Hilfe geht jedoch am wichtigsten Bedarf der Freiwilligen vor Ort vorbei. Was nütze es, zwar genügend Schlafplätze zu haben, aber niemanden für die Begleitung dorthin, fragt eine Mitorganisatorin der Helfer vor Ort in ihrer vielbeachteten Videobotschaft im Internet. Am Hauptbahnhof braucht es vor allem Personal, Erfahrung, Struktur.
Eine bessere Hilfe der Stadt setzt freilich auch die Bereitschaft voraus, sich helfen zu lassen. Ein bedeutender Anteil der Freiwilligen vor Ort versteht die Arbeit am Bahnhof als politisch und weigert sich, unter Federführung der Stadt zu arbeiten. Einige Freiwillige verließen die Gruppe sogar, weil sie nicht unter der Flagge des Paritätischen Wohlfahrtsverband arbeiten wollten – und brachten die Verbliebenen erst dadurch in eine solche Bedrängnis, dass sie einen Videonotruf absetzten. Ein solches Verständnis von Hilfe ist inkonsequent, geradezu wohlfeil. Stadt und Freiwillige müssen ihre Aufgabe gemeinsam als humanitäre Nothilfe verstehen.
Von selbst wird sich die Krise auch mit den Koalitionsbeschlüssen nicht beruhigen. Die neuen Einreisezentren mögen den Zustrom von Asylbewerbern aus Balkanstaaten eindämmen – deren Anteil hat sich in den letzten Monaten aber ohnehin in Hamburg auf ein verschwindend kleines Maß verringert. Die Stadt muss sich im Drama am Hauptbahnhof selbst beweisen.