Hamburg. Volle Zelte, viele Helfer und eine medizinische Versorgung, die dem Zufall überlassen ist. Die Stadt erklärt sich als nicht zuständig.

Cary Rasof, 56, kniet in dem Zelt am Hauptbahnhof auf dem Boden und untersucht einen Jungen. Der kleine Patient ist vielleicht drei Jahre alt und mit seinen Eltern und zwei Geschwistern seit vier Wochen auf der Flucht vor den Bomben in Syrien. Jetzt ist die Familie hier in Hamburg gestrandet und will weiter nach Schweden. Aber die Züge Richtung Skandinavien sind ins Stocken geraten. Und der kleine syrische Junge ist krank. Er hustet und schnauft, Tränen laufen ihm über das Gesicht.

Cary Rasof will Fieber messen, als ihn eine junge Helferin ruft, weil draußen vor der Wandelhalle ein Flüchtling Blut gespuckt habe. Cary Rasof eilt zu dem Mann, legt ihm die Hand auf die Stirn, holt ihn mühsam aus seinem Schlafsack, zieht den Pullover hoch und tastet den Rücken ab.

Zwei Stunden später, gegen Mitternacht, werden Notärzte und Sanitäter zwölf Kinder aus den Zelten mit Fieber und Durchfall ins Krankenhaus bringen. Das jüngste ist drei Monate alt. Stunden zuvor hat der Arzt aus Amerika eine hochschwangere Frau in dem Zelt untersucht und anschließend den sofortigen Transport in eine Klinik veranlasst. „Ich weiß nicht, ob wir ohne Cary die Dramatik der Situation erkannt hätten“, sagt Ina Zschocke.

Cary Rasof ist zufällig am Hauptbahnhof. Der Arzt aus Chicago ist für zwei Wochen zu Besuch in Hamburg. Als er gesehen hat, was hier los ist, hat er zu seinem Freund Tönnies Maack gesagt: „Wir müssen den Menschen doch helfen.“

Vieles ist Zufall, was derzeit am Hauptbahnhof passiert

Ina Zoscke ist seit Wochen ständig im Einsatz
Ina Zoscke ist seit Wochen ständig im Einsatz © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Ina Zschocke, 50, selbst Mutter von fünf Kindern, arbeitet seit Wochen ehrenamtlich in dem Babymobil-Zelt am Hauptbahnhof. Sie sind in einem Team zusammen mit der Initiatorin Cornelia Krog, 60, ständig im Einsatz, um die flüchtenden Familien aus aller Welt am Hauptbahnhof eine Zeit lang zu betreuen. Sie mit Essen und Getränken zu versorgen, mit den Kindern zu malen und zu puzzeln, damit die Mütter sich mal einen Moment ausruhen können. Ihnen einen Rückzugsraum zu geben, um die Babys in Ruhe zu stillen oder zu wickeln.

„Was wir nicht leisten können, ist die medizinische Versorgung“, sagt Ina Zschocke. Und dass es nicht angehen könne, dass eine Stadt wie Hamburg dazu nicht in der Lage sei. „Man lässt seine Gäste nicht unversorgt auf dem kalten Bahnhofsboden übernachten.“

Der Hauptbahnhof ist mit bis zu 500.000 Reisenden am Tag der meist frequentierte Fernbahnhof in Deutschland. Ein Ort der Durchreise. Hier geht es immer drunter und drüber. Ankunft und Abfahrt, Kommen und Gehen. Das macht es in diesen Wochen und Monaten besonders schwierig. Denn niemand weiß, wie viele Flüchtlinge wann kommen – und wie lange sie bleiben.

Dank des Videoaufrufs von Emma, kommen nun wieder mehr Helfer

Manchmal sind es 700, manchmal 1000 am Tag. „Wenn jetzt Schweden sagt, dass die Grenze des Machbaren erreicht ist, wird die Situation hier in Hamburg noch chaotischer“, sagt Christian Böhme, Pressesprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. „Es werden noch mehr Menschen am Hauptbahnhof bleiben, und sie werden noch verzweifelter sein, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Schon jetzt sind die Zelte voll. Manche Flüchtlinge bleiben drei oder vier Tage bei uns.“

Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist vor einer Woche in die Hilfsarbeit am Hauptbahnhof eingestiegen und will jetzt einen ärztlichen Dienstplan organisieren. Daneben gibt es eine wechselnde Zahl von Hamburgern, die sich einfach Helfer am Hauptbahnhof nennen. Viele junge Leute sind dabei. Sie tragen farbige Westen, nehmen die Flüchtenden in Empfang, beraten sie in allen Sprachen, schmieren Brötchen, verteilen Getränke, geben heiße Suppe aus, helfen bei der Fahrplanauskunft und beim Ticketkauf an den Bahnschaltern und versuchen, Schlafplätze zu organisieren, wenn sich die Weiterfahrt verzögert.

Klaus Schulz gehört seit einigen Wochen zu der Gruppe: „Am Anfang waren wir mal 100, dann wieder weniger, jetzt kommen wieder mehr.“ Das liegt an Emma. Mehr als 60.000 Menschen haben ihr YouTube-Video gesehen, in dem die junge Hamburgerin einen sieben Minuten langen Hilferuf in die Welt gesendet hat. „Wir brauchen dringend, dringend Hilfe, wir sind viel zu wenige Menschen.“ Was nütze eine heiße Suppe, die keiner verteilt, und Schlafplätze, die keiner zuweist?

Flüchtlingskinder am Hauptbahnhof erkrankt

In der Nacht zum Freitag kam es bei den Flüchtlingszelten am Hauptbahnhof zu einem großen Rettungsdiensteinsatz der Hamburger Feuerwehr
In der Nacht zum Freitag kam es bei den Flüchtlingszelten am Hauptbahnhof zu einem großen Rettungsdiensteinsatz der Hamburger Feuerwehr © Michael Arning | Michael Arning
 Notärzte begutachteten Flüchtlinge. Viele Patienten mussten mit Rettungswagen in Krankenhäuser verbracht werden. Einige leiteten unter Erschöpfung oder starken Erkältung.
Notärzte begutachteten Flüchtlinge. Viele Patienten mussten mit Rettungswagen in Krankenhäuser verbracht werden. Einige leiteten unter Erschöpfung oder starken Erkältung. © Michael Arning | Michael Arning
Zwölf Patienten mussten mit Rettungswagen in Krankenhäuser verbracht werden.
Zwölf Patienten mussten mit Rettungswagen in Krankenhäuser verbracht werden. © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
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Rettungssanitäter
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning
Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
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Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof
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Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning | Michael Arning
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Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning
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Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning
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Der Rettungseinsatz in den Flüchtlingszelten am Hamburger Hauptbahnhof © Michael Arning
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Stadt Hamburg erklärt sich für nicht zuständig

Flugs hat die Linke-Abgeordnete Christiane Schneider den Senat aufgefordert, „nicht länger zuzuschauen, wie sich eine humanitäre Katastrophe größeren Ausmaßes anbahnt“.

Cary Rasof muss lächeln. Er hat 30 Jahre für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. In Ruanda und Angola, Haiti und Indien. Er war nach dem Tsunami in Indonesien und weiß, was eine humanitäre Katastrophe ist. Er sagt: „Ihr habt doch alles hier in Hamburg. Menschen, die helfen. Geld und Zelte, Ärzte und Krankenhäuser.“ Aber was fehle, so sein Appell, „ist eine Stelle, wo die Hilfe koordiniert wird“.

Noch erklärt sich die Stadt, da sich die Flüchtenden auf der Durchreise befinden, nicht für zuständig. Diese Haltung produziert vor Ort eine Art liebevolles Chaos. Mal bringt eine Firma zwei riesige Paletten mit hundert Kartons voller Baby-Utensilien. „Wo können wir das lagern?“, fragen sie in die Runde der staunenden Helfer. Wenig später kommt eine ältere Dame, wühlt aus ihrer Handtasche ein Kuscheltier und drückt es einer Helferin in die Hand: „Das ist für die Kinder.“

Der Hamburger Hauptbahnhof ist gerade eine Folie für das Land. Deutschland im Herbst, das ist der schmerzvolle Spagat zwischen „Wir schaffen das“ und „Wir können nicht mehr.“ Wenn Klaus Schulz sagt, wir schaffen das, klingt er wie die Kanzlerin. Was die Helfer am Hauptbahnhof eint: Sie packen an, statt Tagesschau zu gucken. Sie überlassen Merkel, Seehofer, Gabriel und Jauch die Debatten um Transitzonen und gehen selbst an ihre Grenzen. Und darüber hinaus. „Sie leisten Unglaubliches“, sagt Klaus Schulz.

„Die freiwilligen Helfer tun, was sie können, mit all ihren Möglichkeiten und Begrenzungen“, sagt Ina Zschocke. Aber sie dürften sich nicht selbst überlassen bleiben. „Damit der hohe persönliche Einsatz am Ende nicht verpufft, brauchen wir eine professionell agierende Einsatzleitung durch die Stadt vor Ort.“ Tönnies Maack sagt, es sei ziemlich peinlich für Hamburg, dass sein US-Kollege auf Besuch an diesem Abend als einziger Arzt für Hunderte von Flüchtlingen zuständig ist.

Es hat angefangen zu regnen. Gegenüber strömen die Besucher aus dem Malersaal des Schauspielhauses. „Ein Leben, zu wahr, um schön zu sein“, stand auf dem Spielplan.