Denn es geht um eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung.
Til Schweiger nervt. Darauf können sich dieser Tage ganz unterschiedliche Menschen verständigen.
Die einen, die ihn sowieso nicht leiden können. Geschenkt. Die anderen, denen bislang gefiel, wie er gegen die „Qualitätspresse“ und das per se verdächtige „Feuilleton“ wetterte, die jetzt aber – mindestens – irritiert sind, ständig dieses Eintreten für Flüchtlinge, was wollen die überhaupt hier, und was will der Schweiger mit denen. Und dann gibt es noch jene, die es nach seinem ersten deutlichen Facebook-Ausbruch respektabel fanden, dass da einer Haltung bezog, dem man das gar nicht so zugetraut hatte – die inzwischen aber mit den Augen rollen, sich lustig machen, abwinken. Der Schweiger schon wieder, is’ mal gut jetzt.
Denn der hört ja einfach nicht auf. Er gibt einfach keine Ruhe.
Geht in Talkshows, antwortet auf Facebook-Kommentare, will ein Flüchtlingsheim bauen lassen, trifft sich mit dem Vizekanzler. Am Sonntag führte er gleichzeitig die Kanzlerin und das ZDF vor, indem er klarstellte, dass das, was Angela Merkel über Gewalt gegen Flüchtlinge zu sagen hat („unseres Landes nicht würdig“) keineswegs, wie vom Sender eingeordnet, „klare Worte“ seien, sondern Politikersprech. „Klare Worte“ gingen vielmehr so: „Wir werden niemals tolerieren, dass Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen, in unserem Land bedroht und angegriffen werden! Wir werden jeden, der dies tut, mit aller Härte des Rechtsstaates verfolgen!!!!“ Vier Ausrufezeichen, über deren verschwenderischen Gebrauch zuletzt ebenfalls häufiger süffisant geschrieben wurde.
O ja, Til Schweiger nervt. Weil er den Finger in die richtige Wunde legt.
Denn das, wofür er sich da unermüdlich einsetzt, ist die wahrscheinlich zentrale gesellschaftliche Herausforderung, die uns in den kommenden Monaten, eher sogar: Jahren, beschäftigen wird. Wer geglaubt hatte, Til Schweiger habe so eine Art akuten Flüchtlingsspleen, das gehe auch wieder vorbei, das ist so ein Sommerloch-Ding, der hat etwas grundsätzlich nicht begriffen: Das geht eben nicht vorbei. Das fängt sogar gerade erst an. Für manche ist das – aus unterschiedlichen Gründen – schwer auszuhalten.
Denn es geht gar nicht um Til Schweiger, und wer das als Erstes verstanden hat, ist vermutlich Schweiger selbst. Es geht um die Flüchtlinge. Die kommen nämlich und die bleiben erstmal, weil es da, wo sie herkommen, grausam ist wie in der Hölle, und es kommen noch mehr, und die bleiben auch, weil in ihrer Heimat Bomben fallen und Mädchen vergewaltigt werden. Sie müssen unterkommen, sie müssen versorgt und beschäftigt werden, sie haben so selbstverständliche Dinge wie Sicherheit und Ruhe und Freiheit verdient, und ja: Es sind viele. Ignorieren kann man sie nicht.
Schweiger an dieser Stelle eine PR-Taktik in eigener Sache zu unterstellen, ist absurd. Das Gegenteil ist richtig: Der beliebte Schauspieler und Filmemacher Til Schweiger riskiert etwas. Mehr als sieben Millionen Menschen haben seinen letzten Film „Honig im Kopf“ gesehen. Der sogenannte „Mainstream“ im Kino und die in politischen Fragen gern zitierte „schweigende Mehrheit“ – sie haben womöglich Überschneidungen. Schweiger-Fan sein und anonym oder offen gegen Flüchtlinge pesten? Spätestens jetzt ausgeschlossen. Für die gute Sache sein und sich überheblich über Schweiger mokieren – das allerdings auch. Til Schweiger steht jetzt für etwas. Dass er nicht locker lässt, sollte man ihm nicht vorwerfen, sondern danken. Und: nachmachen. Aufstehen gegen den Hass. Der Angst entgegentreten. Laut werden. Ausrufezeichen benutzen!
Til Schweiger nervt. Und ist damit ein Vorbild. Ein Mensch, der gerade ziemlich viel ziemlich richtig macht. Wer kann das von sich behaupten?