Das Sparpaket zeugt endlich von Handlungsfähigkeit der Koalition.
Vielleicht hat Angela Merkel sich doch mehr von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder abgeguckt, als sie zugeben will. Schröders goldene Regel des Regierens lautete: Ein Koalitionsvertrag gilt nur so lange, bis ihn die Realität einholt. Im rot-grünen Vertragswerk von 2002 stand nichts von den Hartz-Reformen, die der Kanzler ein halbes Jahr später einläutete und zum zentralen Projekt seiner zweiten Amtszeit erkor. Merkels zweite Amtszeit trägt seit gestern jene schröderschen Züge. Zusammen mit der FDP war sie vor sieben Monaten angetreten, die Steuern zu senken, die Gesundheitspolitik grundlegend zu reformieren und den Energiekonzernen zu längeren AKW-Laufzeiten und Mehreinnahmen zu verhelfen. Die Prioritäten sind jetzt andere. Merkels Sparprogramm erinnert insofern an Schröders Agenda 2010.
Doch Merkels Spar-Agenda 2014 liest sich längst nicht so stringent. Es ist ein Paket entstanden, in dem sich ein Sammelsurium von Kürzungen und neuen Abgaben findet. Der Tenor: Jeder soll ein bisschen belastet werden - die Energiewirtschaft genauso wie die Bahn, der Arbeitslose genauso wie der Urlauber. Und damit der gute Wille der Regierung sichtbar wird, verordnet sich auch der Staat eine personelle Schrumpfkur. Ein großer Wurf ist all das nicht, aber ein Neuanfang in jedem Fall. Denn die Sparvorhaben erbringen zumindest den Beleg einer Handlungsfähigkeit, die man der Bundesregierung zuletzt kaum noch zugetraut hatte. Wenn die Koalitionsparteien - vorneweg CSU und FDP - jetzt noch aufhören, sich peinlicher verbaler Scharmützel hinzugeben, dann kann sogar bald der Eindruck entstehen, man werde recht ordentlich und normal regiert.
Ein Makel bleibt. Auch nach den Sparbeschlüssen wird sich die Koalition dem Vorwurf aussetzen müssen, sie betreibe Klientelpolitik. Was sagte noch FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag? "Ich weiß nicht, ob das Sparpaket, das wir hier beschließen, die Regierungskoalition in den Umfragen beliebter macht. Ich weiß nur: Darauf dürfen wir nicht schauen." Dabei hätte es einen imposanten Sparposten gegeben, der die Regierung auf einen Schlag beliebter und den Staat um eine Milliarde Euro reicher gemacht hätte: Von der Rücknahme der erst im Januar beschlossenen Mehrwertsteuersenkung für Hotelbetriebe wäre eine Botschaft ausgegangen, die mehr wert ist als eine Milliardeneinnahme. Die Wähler schätzen nicht nur Handlungsfähigkeit, sondern auch Lernfähigkeit. Diese Chance hat Schwarz-Gelb vertan.