Köln. Bei „Hart aber fair“ ging es wild her und um die Frage: Was bringt die EU-Wahl? AfD und BSW würden die Ukraine im Regen stehen lassen.
Die wilde und zeitweise extrem wirre Debatte um Europas Zukunft in der neuen Folge von „Hart, aber fair“ hat zumindest an einigen Stellen Klarheit gebracht. Die wichtigste Erkenntnis: Wer lieber nicht riskieren möchte, dass der Einfluss von Kreml-Despot Putin demnächst noch weiter nach Europa reicht, der vermeidet es, AfD oder das
Bündnis Sarah Wagenknecht
zu wählen.
Beide Vertreter in der anstrengenden Runde, Fabio De Masi für das BSW und Leif-Erik Holm für die AfD, machten sehr klar, dass ihre Parteien der Ukraine weitere Unterstützung versagen würden. Kurz: Um Frieden mit dem Aggressor zu machen, würden sie gegebenenfalls das überfallene Land im Regen stehen lassen.
Es gibt kein Angebot für Gespräche aus Moskau
Dabei betonten beide, dass es einen diplomatischen Weg zum Frieden geben müsse. Das sind die üblichen verführerischen Ansätze, die sich entweder aus Naivität nähren oder reinem Zynismus. Denn derzeit liegt kein konkretes Angebot aus Moskau vor, kein Signal, kein verhandelbarer Kompromiss.
Auch die jüngsten angeblichen Offerten, die aus dem Kreml kolportiert wurden, entpuppen sich laut Experten bei genauerem Hinsehen als Produkte aus der Asservatenkammer des KGB, die vor allem eines sollen: Den Gegner zersetzen, täuschen, verwirren. Und allen sollte klar sein: Appeasement hat bei Despoten noch nie funktioniert.
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Wer Frieden will, muss auch fähig sein, den Gegner abzuschrecken
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die sich inzwischen ein bisschen sehr wie die Jeanne d‘Arc der Talkshows aufführt, betont: Russland ist der Aggressor – aus Moskau muss ein Angebot kommen, wie der Krieg beendet wird. Und nur aus einer Position der Stärke heraus kann der Westen gemeinsam mit der Ukraine dann über dessen Zukunftssicherung verhandeln.
„Wir müssen Putin klarmachen, dass er nicht weiter eskalieren kann“, unterstreicht der Grüne Anton Hofreiter seine Forderung, die Ukraine mit allen Waffen und Mitteln auszustatten, um dieses Kriegsziel zu erreichen. Er wiederholte in Richtung der SPD, dass er dem Bundeskanzler in dieser Frage unterstellt, entweder die Taktik Putins schlicht nicht zu begreifen oder selbst ein Zyniker zu sein, weil Olaf Scholz bei den Hilfen für die Ukraine weiterhin einen wachsweichen Kurs fahre.
Julia Klöckner (CDU) ist an dieser Stelle erfrischend deutlich: Um Frieden zu erreichen, muss man auch fähig und willens sein, den Gegner ernsthaft abzuschrecken, sagt sie und ist sich da mit Hofreiter komplett einig.
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Putin will letztlich die Sowjetunion in neuem Gewand
Tatsächlich stellt sich ja dauerhaft die Frage: Was will Putin eigentlich? Im Grunde schimmert durch seine Reden durch, dass die alte Sowjetunion in neuem Gewand wieder herbeibomben will. Für die Ukraine bedeutet dies: die Zerschlagung des Staates in seiner jetzigen Form, die Abkehr vom Westen und eventuell die Installation eines Operettengebildes, mit einer Regierung von Moskaus Gnaden.
Im Falle eines Erfolges wäre das für die baltischen Staaten ein Menetekel und eine Blaupause für alle anderen Despotenstaaten, zum Beispiel China.
Auch deshalb führen die Ukrainer, so Klöckner, einen Krieg, in dem es um die Verteidigung des europäischen Gedankens der Freiheit geht: dass ein Volk sein Schicksal selbst entscheidet. „Die Ukraine darf deshalb nicht verlieren“. Denn wenn sie es tut, dann ist das freiheitliche Europa, wie wir es kennen, ins Mark getroffen.
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Wobei wahrscheinlich inzwischen der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sich Europa dringend selbst vergewissern und besinnen muss, wofür es eigentlich steht. Das politische Konstrukt der EU – behäbig, überbürokratisiert, stellenweise blutleer – auch das wurde in der Debatte deutlich, mag zwar an vielen Stellen dringend reformbedürftig sein. Aber das Modell sichert seit fast 80 Jahren den Frieden in Europa. (ftg)