Berlin. Pompöse Vereidigungsfeier, hohle Siegesparolen: Der russische Präsident gibt sich selbstbewusst, dabei droht ihm bald der Absturz.

Im Osten leider nichts Neues: Mit der gewohnt pompösen Inszenierung im Zaren-Stil hat der russische Präsident Wladimir Putin seine fünfte Amtszeit begonnen. Sie verheißt nichts Gutes: „Weiter so“ ist die Devise des zunehmend diktatorisch agierenden Kriegsherrn, der schon über hunderttausend Menschenleben auf dem Gewissen hat. Ein angebliches Rekordergebnis bei den Scheinwahlen im März im Rücken, inszeniert sich Putin mit großem Selbstbewusstsein und ebenso großer Siegesgewissheit. Russland als Weltstaat, der im „euroasiatischen“ Schulterschluss mit China eine neue Weltordnung baut und in kaum verhohlener Scheinheiligkeit dem Westen einen Dialog anbietet. Glaubt er wirklich selbst daran?

Sicher, es läuft gerade nicht schlecht für Putin: Im Ukraine-Krieg, den der Präsident immer noch nicht so nennen mag, ist die russische Armee vorerst im Vorteil, weil der Westen zu zögerlich war bei der Waffenhilfe für Kiew. Mit der brutalen Terrorisierung seiner Kritiker hat Putin vorübergehend für Ruhe im Land gesorgt. Und die atomaren Drohgebärden lösen zwar im Westen kaum noch Ängste aus – aber als Demonstration der Stärke taugt der rhetorische Atom-Tabubruch allemal. Aber wie lange noch? Putins Regime steht auf tönernen Füßen.

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Putins Herrschaft ist nicht zukunftsfähig: So viel Zeit bleibt ihm noch

Es ist nicht gesagt, dass der Kremlherrscher volle sechs Jahre im Amt bleibt. Er und sein Land sind mittelfristig extrem absturzgefährdet: Die Kriegswirtschaft verhilft Russland zu einer ökonomischen Scheinblüte, aber sie wird früher oder später den Lebensstandard der Bürger massiv senken und damit große Unzufriedenheit auslösen. Wenn der Westen entschlossen handelt, kann Putin einen Rüstungswettlauf nicht gewinnen. Zwei, drei Jahre mag es noch gut gehen, aber einen langen Krieg kann Russland kaum durchhalten – schon gar nicht, ohne den Bürgern große Opfer abzuverlangen.

Christian Kerl Kommentar foto
Christian Kerl Kommentar foto © FMG | FMG

Die westlichen Sanktionen funktionieren schlechter als gedacht, aber sie schneiden Russland durchaus schmerzhaft vom Technologietransfer ab. Weil der Kreml die junge Generation im Kriegsdienst verheizt, steht Russland bald vor einem demografischen Problem. Putins Herrschaft ist nicht zukunftsfähig. Auch deshalb, weil er mit größter Wahrscheinlichkeit seine vorgeblichen Kriegsziele samt und sonders verfehlen wird. Hinter der Fassade imperialer Großreich-Phantasien hat der Kremlherrscher allerdings auch gar keinen Meisterplan. Vielmehr passt der Staatschef seine Kriegsführung geschmeidig an, je nach Erfolg der Ukraine und der Unterstützung des Westens.

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Jetzt kommt es auf die Einigkeit Europas an

Sicher, im laufenden Jahr wird es für die Ukraine darauf ankommen, die Lage einigermaßen zu stabilisieren und Verluste in Grenzen zu halten. Aber schon 2025 könnte sich das Blatt zugunsten Kiews wenden – vorausgesetzt, der nächste US-Präsident lässt die Ukraine nicht fallen. Wenn Putin keinen Zweifel mehr haben kann, dass der Westen entschlossen bleibt und die Ukraine ausreichend unterstützt, wird ihn das am ehesten dazu bewegen, den Krieg mittelfristig zu beenden, bevor sein Regime zusammenbricht.

Bei Einführung in fünfte Amtszeit: Putin bietet dem Westen Dialog an
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    Voraussetzung ist, dass Europa der Ukraine stärker zur Seite steht als bisher. Wir wissen sehr genau, was zu tun ist – aber es fehlt an Konsequenz. Stattdessen zeigt sich die EU selbst am Tag von Putins Vereidigung gespalten: Deutschland und die meisten EU-Staaten schicken demonstrativ keinen Vertreter zur bizarren Diktatoren-Feier in Moskau, andere schon – ausgerechnet Frankreich vorneweg. Wie töricht, wie schwach. Es ist Europas Uneinigkeit, die Putin stärker erscheinen lässt als er ist.