Hamburg. Die Umweltlotterie hat sich etabliert. Vor allem in Schleswig-Holstein ist das Spiel beliebt. Ein Teil des Erlöses fließt an Initiativen.
Für viele Norddeutsche ist der Sonntagnachmittag ein Pflichttermin – seit 1997 werden dann im NDR-Fernsehen in einer Livesendung die Bingo-Zahlen gezogen. Allein in Hamburg und im Norden schalten bis zu 400.000 Menschen den Fernseher an und hoffen auf die richtigen Kugeln.
Dabei gibt es viele Gewinner – neben den Glückspilzen mit dem richtigen Los profitieren Tausende Initiativen aus der Umwelt- und Entwicklungsarbeit mit dem richtigen Projekt. Ein Viertel der Erlöse geht an die unabhängige Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE), die das Geld verteilt.
Aber aller Anfang ist schwer – das galt auch für die Geburt der NUE. Was am 9. April 1999 in der Patriotrischen Gesellschaft begann, lief zunächst unrund: Zwar hatte die Idee der Umweltlotterie in Niedersachsen, angestoßen von der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder, schon große Erfolge gefeiert. Und auch in Hamburg, wo es traditionell viele engagierte Initiativen gab, war das Interesse enorm. Dummerweise aber nicht bei den Hamburgern für das Bingo-Spiel.
Bingo: Schon kurz nach dem Start 1999 drohte die Umweltlotterie zu scheitern
Ein halbes Jahr später vermeldete das Abendblatt: „Die Umweltlotterie Bingo Lotto wird wegen Erfolglosigkeit eingestellt.“ Hintergrund des überraschenden Stopps: Das Bingo-Lotto erwirtschaftete keinen Überschuss, der Umsatz war seit der Einführung der Lotterie auf ein Viertel zurückgegangen, nur noch etwa 5000 Lose wurden verkauft. Fortan sollte die NUE ihr Geld aus der Glücksspirale erhalten.
Erst mit einem erneuerten Konzept 2002 – ein Jahr zuvor war auch Mecklenburg-Vorpommern bei der NUE mit von der Partie – lief die Umweltlotterie besser. Heute werden in den beiden Bundesländern Woche für Woche Zehntausende Lose verkauft, 2023 war sogar das beste Jahr seit Gründung.
Bingo: In den beiden Ländern wurden mehr als 5000 Projekte gefördert
So fällt die Bilanz zum 25. Geburtstag positiv aus. Seit Bestehen der Lotterie konnte die NUE in Hamburg 2443 Projekte fördern, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 2949. „Unsere Projektträger sind kleine, meist ehrenamtlich tätige Initiativen oder auch große Organisationen. Sie schützen Kegelrobben, Fledermäuse oder den Moorfrosch, zählen Spinnenvorkommen oder konzipieren Umweltbildungsveranstaltungen“, sagt Onno Poppinga, NUE-Geschäftsführer und seit den 1980er-Jahren im Natur- und Umweltschutz aktiv. „Andere informieren über Ausbeutung in der Textilindustrie, bauen Gemüsegärten in Togo oder Schulen im Kongo.“
Auch manch lieb gewonnenes Ausflugsziel gäbe es ohne die Umweltlotterie wohl nicht, wie etwa die Nabu-Station in der Wedeler Marsch oder die Windmühle von Mulsum.
Bingo: In Schleswig-Holstein ist das Interesse besonders groß
Poppinga erzählt, dass Schleswig-Holstein beim Bingo uneinholbar vorn liegt – in dem Bundesland werden derzeit doppelt so viele Lose verkauft wie in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammen. „Bingo kommt aus dem angelsächsisch-skandinavischen Raum“, sagt er. „Das Spiel ist aufgrund der Nähe zu Skandinavien deutlich bekannter als in anderen Bundesländern, der Pro-Kopf-Umsatz daher deutlich höher.“ Zudem würden das Spiel und die Show im ländlichen Raum stärker angenommen als in der Stadt.
Ausgestrahlt wird die Ziehung der Bingo-Zahlen sonntags um 17 Uhr im NDR Fernsehen. Die Sendung gehört zu den Quotenschlagern – bis zu 17,7 Prozent schalten ein, im Durchschnitt liegt der Marktanteil bei 12,7 Prozent. Die Liveshow moderieren Jule Gölsdorf und Michael Thürnau. Thürnau, ein bekannter Radiomoderator aus Niedersachsen, ist seit dem Start am 28. September 1997 dabei. Das Engagement zahlt sich aus: Insgesamt hat Bingo mehr als 226 Millionen Euro für rund 22.361 Umwelt- und Entwicklungsprojekte eingespielt.
Bingo: Unabhängige Vergaberäte verteilen das Geld
In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern kamen seit dem Start 50 Millionen Euro zusammen – das Geld konnte die NUE verteilen und damit Projekte in einer Größenordnung von 147 Millionen Euro anschieben. Die Stiftung will eher viele kleine Projekte fördern als mit einer großen Summe Großveranstaltungen. Ihr Plus ist die Unabhängigkeit. Die Vergaberäte, nach einem festgelegten Schlüssel von Umwelt- und Eine-Welt-Organisationen, der Politik und den Kirchen benannt, entscheiden über die Förderung.
Seit 25 Jahren ist der Unternehmer Bernhard Riggers als NUE-Vorstand dabei. „Ich habe mein ganzes Berufsleben mit Entwicklungs- und Umweltfragen verbracht und weiß durch mein Engagement, wie schwierig es ist, Mittel für gute Projekte zu erhalten“, sagt der Vorsitzende des Vergaberats Hamburg. Da er beide Seiten – den Umweltschutz wie die Eine-Welt-Arbeit – vertreten hatte, galt er zu Beginn als Mann des Ausgleichs. Die Arbeit hat ihm so gut gefallen, dass er auch nach 25 Jahren noch dabei ist.
Wie es der Zufall will, bekam Riggers damals die NUE-Gründungsurkunde aus der Hand von Jens Kerstan, seinerzeit Vorsitzender der Gesellschaft für ökologische Planung in Bergedorf und Vertreter der Stifter. Auch der Umweltsenator erinnert sich an den Tag: „Wenn ich auf die Gründung und die Arbeit der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung zurückblicke, ist das für mich sehr persönlich. Vor 25 Jahren hatte ich weder ein Parteiamt inne, noch war ich Abgeordneter. Vielmehr lief ich mit Gummistiefeln und Spaten durch die Gegend, um Biotope zu schützen“, sagt Kerstan.
Gemeinsam entstand die Idee, in Hamburg eine Bingo-Umweltlotterie zu etablieren. „Inzwischen hat der NUE Tausende Naturschutz- und Entwicklungsprojekte ermöglicht. Und ich bin stolz auf diesen wichtigen umweltpolitischen Akteur.“ Manchmal, so sagt er, ziehe er noch heute seine Gummistiefel an, gehe in die Natur und genieße die grüne Stadt.
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Am Dienstag ist der Hamburger Umweltsenator beim Senatsempfang ebenso dabei wie sein Mecklenburger Amtskollege Till Backhaus. Dort werden einige Initiativen aus 25 Jahren ausgezeichnet. Und alle werden denen danken, ohne die es keine NUE gebe: den Bingo-Spielern.