Hamburg/Köln. 23 Magazintitel des Hamburger Verlagshauses sollen eingestellt werden. Mitarbeiter demonstrieren vor dem Rathaus.
Der bekannte Hamburger Verlag Gruner + Jahr (G+J) wird endgültig zerschlagen. Wie RTL am Dienstagmorgen mitteilte, sollen die Zeitschriften „Stern“, „Geo“, „Capital“ und „Stern Crime“ aufgrund der großen Synergien mit den RTL-TV-Redaktionen künftig in der RTL News GmbH geführt werden.
Die übrigen Kernmarken „Brigitte“, „Gala“, „Schöner Wohnen“, „Häuser“, „Couch“, „Eltern“ (Digital), „Chefkoch (Digital)“ sowie die „Geo“-Ableger „Geolino“ und „Geolino mini“ verbleiben in der Gruner + Jahr Deutschland GmbH und verschiedenen Tochtergesellschaften. Sie sollen künftig punktuell mit den TV- und Streaming-Geschäften von RTL Deutschland zusammenarbeiten.
RTL: 23 Titel von Gruner + Jahr sollen eingestellt werden
Wie RTL weiter ankündigte, werden alle weiteren Titel und Ableger („Line Extensions“) verkauft oder eingestellt. Betroffen sind vor allem die Titel, die Ableger der Kernmarken sind, die RTL behalten will: „Geo Epoche“ und „Geo Wissen“, „Brigitte Woman“ und „View“ („Stern“). Thomas Rabe, Vorsitzender der Geschäftsführung von RTL Deutschland, sagte: „Viele der Titel sind Ableger. Wir können uns nicht vorstellen, diese zu verkaufen, wenn wir die Kernmarken ,Geo‘ und ,Brigitte‘ behalten. Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich.“
Auch die Magazine „Guido“ um den Designer Guido Maria Kretschmer und „Barbara“ um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger werden eingestellt. Insgesamt sind es 23 Titel.
Gruner + Jahr: Rund ein Drittel der Arbeitsplätze fällt weg
Rund ein Drittel der 1500 Arbeitsplätze bei G+J in Hamburg soll gestrichen werden. Die Beschäftigten, die gehen müssen, sollen am Nachmittag abteilungsintern informiert werden.
Außerdem sollen etwa 200 Stellen durch den geplanten Verkauf von Titeln auf neue Eigner übergehen. Über einen Verkauf der Beteiligung an der Deutschen Medien-Manufaktur (DMM) werde RTL Deutschland vertrauensvolle Gespräche mit dem Mitgesellschafter Landwirtschaftsverlag Münster aufnehmen, hieß es. Auch für die Beteiligung am Fußballmagazin „11 Freunde“ werde ein Verkauf geprüft.
Bertelsmann-Chef Rabe: Gruner + Jahr soll sich auf Kernmarken konzentrieren
Thomas Rabe sagte: „Vor dem Hintergrund der sich rasch verändernden Medienlandschaft und der herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Lage haben wir in den vergangenen Monaten das Publishing-Geschäft von RTL Deutschland eingehend überprüft. Wir haben entschieden, uns auf die Kernmarken zu konzentrieren und sie mit Investitionen von etwa 80 Millionen Euro bis 2025 weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es, die führende Position und publizistische Relevanz von RTL Deutschland weiter zu stärken.“
Rabe betonte, der Verbund von TV-, Streaming- und Publishing-Geschäften von RTL Deutschland ergebe Sinn. Er schaffe einen erheblichen Mehrwert von etwa 75 Millionen Euro jährlich in so wichtigen Bereichen wie Inhalte, Vermarktung, Tech & Data sowie bei den Corporate-Funktionen. „Wir bieten unseren Kunden und Partnern durch die enge Verzahnung unserer Marken und Programme eine crossmediale Reichweite, mit der wir nahezu jeden deutschen Haushalt erreichen.“
Die Investitionen in die Transformation und den Ausbau des Publishing-Geschäfts von 80 Millionen Euro bis 2025 entfallen insbesondere auf digitale Bezahlinhalte sowie digitale Dienstleistungen und verteilen sich mit 30 Millionen Euro auf „Stern+“, 30 Millionen Euro auf die übrigen Kernmarken sowie 20 Millionen Euro auf neue Räumlichkeiten. „Stern+“ soll als Bezahlangebot mit komplementären Inhalten im Verbund von „Stern“, „Geo“, „Capital“ und „Stern Crime“ ausgebaut werden. Die gedruckten Produkte werden offenbar nicht mehr gefördert.
Der Mutterkonzern Bertelsmann hatte Gruner + Jahr 2021 in die RTL Gruppe integriert. Am Anfang hieß es noch, es gäbe keine Änderungen. Doch im Oktober vergangenen Jahres hatte Rabe angekündigt, das Porfolio des Verlagshauses auf den Prüfstand zu stellen.
Gruner + Jahr: 250 Mitarbeiter demonstrieren vor dem Rathaus
Rund 250 Mitarbeiter versammelten sich am Dienstagmittag zu einer Demonstration vor dem Rathaus. Mit Plakaten und Trillerpfeifen protestierten sie gegen den geplanten Jobabbau. Anschließend überreichten sie Kultur- und Mediensenator Carsten Brosda (SPD) eine Resolution gegen die geplante Spaltung von Gruner + Jahr. Mehr als 1000 Mitarbeiter hatten diese unterschrieben.
Brosda, der früher selbst als Journalist gearbeitet hat, sagte: "Das ist ein Tag, der mich sehr betroffen macht. Die Stärke des Medienstandorts Hamburg sind die Menschen, die hier journalistisch arbeiten. Ich hätte mir mehr Kreativität und Fantasie beim Umgang mit der Zukunft des Medienhauses erwünscht." Er betonte, dass er "noch heute" damit beginnen wolle gute Rahmenbedingungen für die weitere journalistische Arbeit in Hamburg zu schaffen.
"Hamburg muss die Stadt bleiben, von der aus wir auch künftig journalistisch das Land rocken", sagte er. Zuvor hatte sich erstmals auch der Betriebsratschef Jens Maier zu Wort gemeldet. "Er will jetzt in Gespräche mit den Arbeitgebern eintreten. "Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen", so Maier.
Gewerkschaft fürchtet weitere Verkäufe bei Gruner + Jahr
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht in der Ankündigung von RTL-Chef Thomas Rabe „einen verheerenden Aderlass für den renommierten Medienstandort Hamburg“. Die Entscheidung sei „durch nichts begründet als durch gewissenlose Profitmaximierung“, kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das sei die Abwicklung des renommierten Medienhauses Gruner + Jahr. Es sei zu befürchten, dass sich RTL mittelfristig doch von den verbleibenden Titeln trennen wolle und bis dahin nicht mehr investiere.
- Ver.di: Gruner+Jahr-Zeitschriften „nicht verscherbeln“
- Brosda: „Gruner + Jahr ist so bedeutend wie Hapag-Lloyd“
- „Mit Fehlentscheidungen gesundes Medienhaus kaputtgemacht"
Die Vorsitzende des DJV Nord Marina Friedt sieht Bertelsmann in der Pflicht, der sozialen Verantwortung für die Beschäftigten gerecht zu werden: „Das RTL-Management muss betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Das ist es den Kolleginnen und Kollegen schuldig.“ Darüber hinaus erwarte sie die Einbindung des Betriebsrates in die jobrelevanten Entscheidungsprozesse innerhalb von RTL. „Bisher ist die Kommunikation mit den gewählten Vertretern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer katastrophal.“
Stellenabbau bei Gruner + Jahr: Ver.di übt scharfe Kritik
Die Gewerkschaft Ver.di übte scharfe Kritik am Management. „Aus Unfähigkeit, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen, zerschlägt Bertelsmann nun den Magazinverlag RTL in Hamburg. Die fehlgeleitete Strategie aus Gütersloh schneidet dem Medienstandort Hamburg und der Presselandschaft ein großes Stück Vielfalt heraus", sagte Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz.
„Ohne Rücksicht auf die Leistungen und den Wert der Verlagsbelegschaft werden nun Hunderte Menschen ihre Arbeit verlieren, die bis jetzt noch zu den Gewinnen in der Bilanz des Konzerns beigetragen haben.“
Norbert Hackbusch, medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft deutete die Entlassungen als "Angriff" auf den Journalismus und damit auf "Teilhabe, Wissen, Aufklärung und Demokratie".
Stellenabbau bei Gruner + Jahr: "Tragödie" für Betroffene
„Das ist ein bitterer und tiefer Einschnitt für den ehemals stolzen Gruner+Jahr-Verlag am Baumwall", sagte Farid Müller, medienpolitischer Sprecher der Grünen zu den geplanten Entlassungen. Der Abschied von vielen kleineren und zugleich erfolgreichen Titel sei "zutiefst zu bedauern". Der damit einhergehende massive Abbau an Arbeitsplätzen bedeute für Betroffene und ihre Angehörige eine "Tragödie".
"Auch für den Qualitätsjournalismus ist heute ein trauriger Tag, denn genau dafür stand Gruner + Jahr über Jahrzehnte. Mit dem heutigen Beschluss wird daher auch der Medienstandort Hamburg nachhaltig geschwächt", so Müller weiter. Die Hansestadt sollte dem Grünen-Politiker zufolge nun ihre Hilfe anbieten, "damit die verbleibenden Titel und die damit verbundenen Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben".
Die Hansestadt sollte nun ihre Hilfe anbieten, damit die verbleibenden Titel und die damit verbundenen Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben, so wie es bereits durch den Kauf des Verlagsgebäudes und die Bereitstellung von Grundstücken und Gebäuden gelungen ist. Auch bei den zum Verkauf stehenden Titeln sollte dafür gesorgt werden, dass sie weiterhin in Hamburg verlegt werden.“
Thering: Fusion von RTL und Gruner + Jahr ist "faktisch gescheitert"
Auch CDU-Fraktionschef Dennis Thering kommentierte die "Zerschlagung des Hamburger Traditionsverlags": "Die Zusammenführung von RTL und Gruner + Jahr ist faktisch gescheitert und hat jetzt fatale Folgen, insbesondere für die Mitarbeiter", so der Politiker.
Die CDU-Fraktion erwarte von Bertelsmann, seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden "und für alle betroffenen Mitarbeiter eine sozialverträgliche Lösung zu finden".