Hamburg. Der Verlag Gruner+Jahr ließ die erfahrene Journalistin Karin Weber-Duve das neue Magazin „Brigitte Wir“ entwickeln.

Karin Weber-Duve ist eine Frauen-Frau. Eine, die der Freundin aufmerksam zuhört, die sich ehrlich interessiert, die nicht vorschnell urteilt. Eine, die Frauen ein gutes Gefühl geben kann. Manchmal augenzwinkernd weise ist. Obschon oder obwohl sie so aufgeräumt gut aussieht. Eine echte Woman eben.

Das Zuhören mag eine Berufskrankheit sein, durch und durch ist Weber-Duve auch Journalistin, Autorin. Seit Jahrzehnten schreibt sie von, über, mit und für Frauen, erfand als junge NDR-Redakteurin die „Sesamstraße“ mit. Deshalb freut sie sich auch, dass das Gespräch an dem langen Tisch im hinteren Raum des Café Funk-Eck in der Rothenbaumchaussee stattfindet – hier saß sie nämlich oft mit den NDR-Kollegen zusammen und brainstormte, nein, sammelte Ideen für die heutige Kult-Sendung.

Im Folgenden arbeitete sie für „Die Woche“ und den „Stern“. Sie entwickelte im Team die Zeitschrift „Brigitte Woman“ und ganz aktuell die neueste Erweiterung der „Brigitte“-Familie von Gruner+Jahr, für die sie den Ruhestand quittierte: Ab heute liegt die erste Ausgabe von „Brigitte Wir“ an den Kiosken bereit. „Das Magazin für die dritte Lebenshälfte“, so haben die Macherinnen es weniger mathematisch denn inhaltlich korrekt getauft. Gründungsmitglied Weber-Duve sagt: „Wir möchten eine Bresche fürs Alter schlagen, wir ziehen den Hut vor Frauen ab 60 und wollen ihnen mit diesem Magazin zur Seite stehen.“ Erstes Brainstorming war kurz vor Weihnachten 2014. In einer Zeit, in der der Verlag gerade bekannt gegeben hatte, dass in den kommenden drei Jahren 75 Millionen Euro eingespart werden müssten. Kündigungen in jedem Bereich seien zu erwarten. Ebenso sollten jedoch neue Print-Ideen umgesetzt werden, „Brigitte Wir“ ist eine davon.

Die Themen der koralle-pinkfarbenen Erstausgabe: Verlust von Menschen, Schönheit, Gesundheit. Wohn-Formen im Alter, Kosmetiktipps für den reifen Körper, Kräuter gegen Alterswehwehchen. Puuuuhh. Nicht unbedingt Gedanken, die zum Dauerlächeln führen. Ist es denn trist und traurig, so im Alter? „Nö!“, sagt Weber-Duve. „Die Grundstimmung meiner Generation ist heiter. Aber wir wollen auch nichts beschönigen, eher mit Tabus brechen.“ Aus klaren und strahlenden Augen sieht sie die Welt, die grauen Strähnen im Haar weisen darauf hin, worüber sie ohne Probleme spricht: ihr Alter, 67 Jahre. Mitten im Leben, mitten im hinteren Teil des Lebens. Reflektiert und angenehm in sich ruhend formuliert die gebürtige Bremerin ihre Gedanken. „Leben ist ein sich sukzessive Verabschieden“, sagt sie zum Beispiel, „das ist nicht traurig.“

Der Spagat zwischen Offenheit die ernsteren Themen betreffend und Lust auf „weitere erste Male“ sowie dem Schätzen dessen, was schon erreicht wurde, gelingt. Gelingt dem anspruchsvoll-ehrlichen Heft vor allem durch die Themenmischung und gekonnte Platzierung. So reißt die Reportage über die gelassenen und strahlenden Frauen aus Guantánamo, dem Ort mit dem schlechtesten Image der Welt, sofort mit. Die selbstbewusste Protagonistin der Modestrecke bebildert das Alter modisch, ohne zu übertreiben, die Geschichte über Freundschaften ist positiv und wird die eine oder andere Leserin zum Telefon greifen lassen, um die eigene Freundin anzurufen.

Weber-Duve liebt übrigens eine kleinere Geschichte im Heft. „,Billard um halb zehn’ erzählt von einem Ehepaar – er ist an MS erkrankt – das durch das gemeinsame Billardspielen das Leben und Lachen zurück in den Alltag geholt hat.“ Vielleicht sei ihr dies auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen nah, sagt Weber-Duve. Denn die Frau, die Mutter dreier Töchter, davon einer leiblichen, lebt in Harvestehude gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten, OSZE-Medienbeauftragten und Publizisten Freimut Duve (SPD). „Mein Mann hatte vor knapp zehn Jahren zwei Schlaganfälle, und seitdem kümmere ich mich um alles, das Organisatorische, unsere sozialen Kontakte. Wir sind glücklich, aber unser Radius ist kleiner geworden“, sagt sie. Größere Reisen können nicht mehr stattfinden.

Deshalb hätten sie ihre Töchter strategisch verteilt, sagt Weber-Duve mit einem verschmitzten, warmen Lächeln: „Eine lebt mit drei Enkelkindern in Hamburg, die andere mit Tochter in München und die jüngste mit 41 Jahren in Berlin mit zwei Kindern.“

Sie genieße die Freizeit mit den Enkeln – ohne den Druck, den sie als arbeitende, „sich durchwurschtelnde“ Mutter verspürt habe. Heute begrüßt sie die Entschleunigung und ihre körperliche Agilität, die sie durch regelmäßiges Training im Fitness-Studio aufrecht erhält. „Wir Frauen über 55 fühlen uns jünger, und wir sind gesünder, fitter, unternehmungslustiger als jede Generation vor uns“, schreibt sie stellvertretend für das Redaktionsteam im Editorial. „Wir sind eine ‘Generation Glückskind’ mit fast anachronistisch anmutender Vergangenheit: Kindheit ohne Termine und TV, Jugend mit toller Rockmusik und ohne Handy­kontrolle stalkender Mütter, Erwachsenwerden mit Pille und ohne HI-Virus. Ein sorgenfreier Start in den Beruf, denn es gab sie überall, die guten Arbeitsplätze.“

Weber-Duve arbeitet nicht voll, ist „Teilzeit-Rentnerin“. Und Autorin. Denn wenn sie nicht schreibt, dann schaut sie sich um. Nach Geschichten für Frauen. Für Frauen mit Geschichte.