Los Angeles/Rostock. Die Lebenserwartung der Geschlechter liegt fast fünf Jahre auseinander. Männer sind anfälliger für Herzleiden.
Dass Männer in Industrieländern eine deutlich geringere Lebenserwartung haben als Frauen, ist eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Eine US-Studie zeigt, dass die Lebensspanne beider Geschlechter mit dem Rückgang gefährlicher Infektionen zwar stieg, dieser Trend aber bei Männern vor allem durch zwei Faktoren entscheidend gebremst wurde: Rauchen und eine erhöhte Neigung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies sei teils biologisch, teils durch den Lebensstil bedingt, berichten die Forscher um Hiram Beltrán-Sánchez von der University of California in Los Angeles in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Weltweit liegt die Lebenserwartung von Frauen deutlich über der von Männern: In Deutschland werden derzeit geborene Jungen zurzeit nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mittel voraussichtlich ein Alter von knapp 79 Jahren erreichen, Mädchen dagegen von 83,5 Jahren. Der Unterschied in der Lebenserwartung ist den Autoren zufolge eine recht junge Entwicklung.
Um den Trend und seine Ursachen zu ergründen, untersuchten die Forscher die Sterblichkeitsrate von Geburtsjahrgängen im Zeitraum von 1880 bis 1935 in 13 Industrieländern. Dabei achteten sie auf die Lebenserwartung von Männern und Frauen ab dem Alter von 40 Jahren. Zudem analysierten sie die Rolle spezieller Einflussfaktoren wie Rauchen oder Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein sei die Lebenserwartung beider Geschlechter noch ähnlich gewesen, schreiben die Forscher. „Die Mortalitätsraten nahmen sowohl bei Männern als auch bei Frauen während des 19. und 20. Jahrhunderts ab“, schreiben sie. Da etwa tödlich verlaufende Infektionen seltener wurden, stieg der Einfluss chronischer Erkrankungen, die meist erst ab dem mittleren Lebensalter ins Gewicht fallen. Hier machte sich bei Männern neben dem sich ausbreitenden Tabakkonsum auch die Neigung zu Gefäßerkrankungen stark bemerkbar. Demnach stieg im 20. Jahrhundert die relative Mortalität der Männer im Alter ab 40 Jahren deutlich an, vor allem aber in der Gruppe der 50- bis 70-Jährigen: So lag das Sterberisiko 50-Jähriger bei den Geburtsjahrgängen 1880 bis 1899 um 39 Prozent über dem der Frauen, bei den Jahrgängen 1900 bis 1919 um 68 Prozent und bei zwischen 1920 und 1935 Geborenen sogar um 90 Prozent. Bei den 60- und 70-Jährigen sei das Muster noch deutlicher ausgeprägt, schreiben die Autoren und fügen hinzu: „Dieses Schema ist für alle Länder ziemlich ähnlich.“ Erst im hohen Alter von etwa 90 Jahren liegen die Mortalitätsraten beider Geschlechter wieder nahe beieinander.
Rauchen ist den Forscher zufolge für etwa 30 Prozent des Unterschieds verantwortlich. In manchen Ländern wie Australien, Belgien oder den Niederlanden, wo Männer besonders früh anfingen zu rauchen, erklärt Tabakkonsum sogar mehr als 40 Prozent der Differenz.
Zudem falle eine erhöhte Neigung zu Herzkrankheiten stark ins Gewicht: Diesbezüglich liege die Mortalität bei Männern von 50 und 60 Jahren dreimal höher als bei gleichaltrigen Frauen. Auch für Schlaganfälle sind Männer demnach anfälliger. Beides zusammen erkläre mehr als 40 Prozent der geschlechtsspezifischen Unterschiede. Die erhöhte Tendenz von Männern zu Gefäßerkrankungen erklären die Forscher einerseits mit einer fettreicheren Ernährung, andererseits mit biologischen Faktoren, die Blutgefäße von Männern anfälliger für Probleme machen. So haben Männer tendenziell früher Bluthochdruck und niedrigere Werte des „guten“ HDL-Cholesterins (High-Density Lipoprotein), das vor Gefäßerkrankungen schützt. Bei Frauen vor der Menopause gelten Östrogene als gefäßschützend.
Die Müttersterblichkeit ist gesunken. Männer haben oft ungesunde Berufe
Die im 20. Jahrhundert steigende Kluft zwischen den Geschlechtern erklärt Domantas Jasilionis vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung auch damit, dass unter anderem die Müttersterblichkeit deutlich sank, während Männer häufig ungesunde oder gar gefährliche Berufe ausübten.
Die Differenz zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen erreichte nach Angaben von Jasilionis in Mittel- und Westeuropa und den USA ihren Höhepunkt etwa um 1980. Damals geborene Frauen hatten in den USA eine fast acht Jahre, in Deutschland eine 6,5 Jahre höhere Lebenserwartung als Männer. Inzwischen liegt die Kluft in beiden Ländern bei etwa fünf Jahren