Hamburg/Schwerin. Kontroverse bei den Öffentlich-Rechtlichen: 90.3 spielt Helene Fischer, der NDR in Meck-Pomm nicht. Die Landesfunkhaus-Chefin erklärt, warum.

Um Schlager-Star Helene Fischer ("Atemlos durch die Nacht") ist offensichtlich eine größere Debatte im Gange als bislang angenommen. Während die Radio-Welle NDR 1 Radio MV die allgegenwärtige Sängerin und Moderatorin ungern oder gar nicht spielt und sich dafür von Fans sogar vor den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zitieren lassen muss, geht man im Landesfunkhaus Hamburg entspannter mit "la Fischer" um: "NDR 90,3 spielt auch mal Helene Fischer, allerdings findet der deutsche Schlager im Programm nur noch sehr dosiert statt, weil unser Publikum eben mit Pop und Rock, also den Beatles und den Stones etwa oder der Popmusik der Siebziger und Achtziger aufgewachsen ist und daher in seiner Mehrzahl den deutschen Schlager nicht gut findet. Das ist so in der Großstadt Hamburg, aber offensichtlich auch in Mecklenburg-Vorpommern. Auch wenn eine kleine Gruppe Schlagerfans es dort anders scheinen lässt", sagte NDR-Funkhaus-Direktorin Sabine Rossbach dem Abendblatt.

Das heißt: In Hamburg hat Helene Fischer radio-aktives Asyl, während der NDR in Meck-Pomm sie schneidet. Vor dem Schweriner Landtag hatte Rossbachs NDR-Kollegin Elke Haferburg (Landesfunkhaus-Direktorin) gesagt: Deutschsprachige Musik laufe durchaus im Landesprogramm, aber eben Klaus Lage, Karat, Udo Lindenberg, die Puhdys oder Adel Tawil. „Die Musikauswahl ist das Ergebnis wissenschaftlich fundierter Medien- und Marktforschung.“ Deutscher Schlager polarisiere. Eine Bürgerinitiative „Für mehr deutsche Musik im Radio und für die Bewahrung unserer Muttersprache“ hatte den NDR in Mecklenburg-Vorpommern stark kritisiert und sich an den Petitionsausschuss gewandt.

Steckt hinter den Titelauswahl im Radio mehr als Hörerbefragungen und Studien? Geben gar die Senderchefinnen die Musikfarbe vor? NDR-Frau Rossbach stellt klar: "Natürlich machen Radiomacher kein Programm nach ihrem eigenen Geschmack. Es geht in erster Linie darum, als Hamburger Radio Programm möglichst viele Hörerinnen und Hörer in einer bestimmten Zielgruppe mit unserer Musik zu erreichen und zu gefallen. So erreichen dann auch unsere Nachrichten und Informationen die meisten Menschen." Bei NDR 90,3 sei das die Altersgruppe 50 plus.

Und diese Altersgruppe sei sehr heterogen. Das erfordere Kompromisse und begünstige eben auch Helene Fischer. Rosbach sagte, die Redakteure werteten die Ergebnisse von Untersuchungen aus "und stellen einen Musikpool zusammen, der die Musiktitel enthält, die die größte Zustimmung haben und am wenigsten polarisieren". Die Resonanz der Hörer sei in der Summe positiv. "Die Zustimmung zu Musiktiteln des Genres Schlager hat in der von NDR 90,3 angesprochenen Zielgruppe im Laufe der Jahre immer mehr abgenommen. Inzwischen erhalten vom Publikum nur noch wenige Titel aus diesem Bereich so viel Zustimmung, dass sie Eingang in das Programmrepertoire finden."

Deshalb sei bei NDR 90.3 kein Platz für Hardrock, Hip-Hop, Oper oder Operette. Chefin Rossbach bekannte: "Mein persönlicher Musikgeschmack reicht im Übrigen sehr weit. Ich singe gern im Auto die Musiktitel von NDR 90,3 mit." Ob sie dabei "Atemlos durch die Nacht" düst, hat Sabine Rossbach gekonnt umkurvt. (ryb)