Kein Quoten-Hit: Die neue Griechen-Debatte um Alexis Tsipras und die Wutbürger kommt mit alten Klischees daher. Bei Günther Jauch waren einige Salon-Sozialisten zu Gast.

Berlin/Hamburg. Der Stromausfall bei Günther Jauch am Sonntagabend in der ARD war noch das kleinste Malheur der Talkshow. Mit 20 Minuten Verspätung begann die Sendung. Zwischenzeitlich hatte die ARD eine Aufzeichnung gezeigt, in der Günther Jauch im Gespräch mit dem Entführungsopfer Natascha Kampusch zu sehen war. Im Vattenfall-Umspannwerk in Schöneberg hatte es einen einen „Fehler auf der Mittelspannungsebene“ gegeben. Die Stromversorgung der Torgauer Straße sowie umliegender Straßen sei weitgehend unterbrochen worden, hieß es. Man habe die Stromzuleitung für den Jauch-Gasometer manuell zugeschaltet. Hieß: Bei Günther Jauch saß man im Halbdunkeln.

Jauch ließ noch in der Nacht versichern, im Gasometer gebe es selbstverständlich eine Notstromversorgung, „die sicherstellte, dass beispielsweise die Notausgänge und Sicherheitszufahrten beleuchtet waren und somit die Sicherheit der Zuschauer sowie der Talkgäste und Mitarbeiter stets gewährleistet war“. Nur für das Sendungsbewusstsein reichte der Strom nicht aus.

Die Quote für Jauch war so lala. 4,15 Millionen Zuschauer (15,6 Prozent Marktanteil) waren nicht besonders. Die Highlights während des Stromausfalls sahen mehr Leute: 4,94 Millionen,aber nur 14,8 Prozent Marktanteil. Tagessieger wurde der Kölner Tatort mit 10,49 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 28,1 Prozent.

Als das Licht dann wieder voll strahlte, ging es zur Sache. Doch die Diskussion um den Euro-Schreck Alexis Tsipras und die neuerliche Rettung des insolventen Griechenland war eine Anhäufung von Phrasen mit zum Teil vertauschten Rollen. Wolfgang Bosbach (CDU, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags) lobte die Rettungspolitik und die Hilfspakete der EU für Athen. In die Seele der Kanzlerin Angela Merkel könne er aber nicht gucken. Aber es werde ihr persönlich schon was ausmachen, dass die Griechen schon wieder jammern – jetzt unter neuem Ministerpräsidenten. Denn nix, aber auch gar nix habe sich geändert am Besteuern der Vermögenden.

Katja Kipping (Linke) schrie am Ende der Sendung unter Jauchs Mäßigungsbemühen so laut, dass man dachte, mit dieser Inbrunst könne man ein Stromaggregat betreiben. Sie bezichtigte die EU indirekt, dass sie dafür verantwortlich sei, dass bei griechischen Patienten Krebs nur noch im Endstadium behandelt werde.

Inzwischen omnipräsent ist AfD-Chef Bernd Lucke, beurlaubter Volkswirtschaftsprofessor aus Hamburg. Gerade vom turbulenten Parteitag in Bremen nach Berlin gerast, dozierte er über die Schwächen der EU-Hilfen. Beinahe linksextremistisch zeigte sich Börsenerklärerin Anja Kohl (ARD). Sie machte klar, dass ja auch Deutschland die Maastricht-Kriterien oft nicht erreicht habe und ebenfalls vertragsbrüchig geworden sei. Implizit legte das nahe: Das dürfen die Griechen jetzt auch.

Und der besonnen wirkende Hamburger Journalist Michalis Pantelouris war so etwas wie der Quoten-Grieche. Er meinte an einer Stelle, was Unionsmann Bosbach sage, sei ja Programm der Syriza von Tsipras.

Allein, dieses Programm wird wohl kaum umgesetzt. Denn schon in der vergangenen Woche hatte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gesagt, dass noch keine Partei, weder Sozialisten noch Konservative, es geschafft hätten, die Privilegien und Steuerschlupflöcher der Reichen-Clique abzuschaffen.

So bleiben von der Jauch-Sendung vor allem der Stromausfall und der gepflegte Salon-Sozialismus in Erinnerung. Und, apropos Salon: Immer mehr salonfähig wird AfD-Mann Lucke. Er hat beinahe erreicht, dass die AfD als kompetente eurokritische Partei wahrgenommen wird und nicht als Ansammlung von Wutbürgern. Davon gibt es offenbar in Europa immer mehr.