Diese Gedenkfeier hätte dem streitbaren Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gefallen. Ein Weggefährte Frank Schirrmachers erzählte von dessen letzter „ganz großen Idee“.
Frankfurt/Main. „Als Frank Schirrmacher starb, haben in der Redaktion die Kolleginnen und Kollegen auf den Fluren geweint“, erinnert sich Holger Steltzner, der Vorsitzende des Herausgeber-Gremiums der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ an den 12. Juni dieses Jahres. Gemeinsam habe man das Vaterunser gebetet.
Völlig überraschend war der „FAZ“-Mitherausgeber und Buchautor mit 54 Jahren einem Herzinfarkt erlegen. An seinem 55. Geburtstag gedenken in Frankfurt Prominente aus Politik, Kultur und Medien des großen Publizisten – und gewähren den Gästen in der Paulskirche Einblicke in eine nicht immer einfache Persönlichkeit.
Er spreche als Schirrmachers Freund, schickt der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht seiner Gedenkrede voraus und identifiziert dann „die drei Dimensionen seiner Existenz: das Ungeschliffene, die Leidenschaft, aber auch die Sorge“. Schirrmacher sei aber auch „monoman“ gewesen, „fasziniert von der Macht“ und stets begierig zu erfahren, was andere von ihm hielten.
Gumbrecht berichtet von Colaflaschen und Aschenbechern in Schirrmachers schlichtem Büro, wobei man nie wusste, ob er gerade mit dem Rauchen aufgehört oder wieder damit angefangen hatte. Und er zitiert aus der letzten E-Mail, die dieser ihm wenige Tage vor seinem Tod schrieb: „Habe eine ganz große Idee. Wird alles verändern.“ Welche, werde nun niemand mehr erfahren.
Unter den Zuhörern sind Bundespräsident Joachim Gauck, der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), der Sohn des „FAZ“-Kritikers Marcel Reich-Ranicki, Andrew Ranicki, Springer-Chef Mathias Döpfner, die Linken-Politiker Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht.
Schirrmachers Witwe Rebecca Casati wird von Gauck an ihren Platz begleitet und getröstet. Auch Schirrmachers Sohn nimmt an der Veranstaltung teil, die Tochter, so Gumbrecht, sei noch zu klein.
Die Liste der Redner ist lang und prominent: Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. „Ein großer Visionär“, sagt Feldmann, „ein leidenschaftlicher Intellektueller“, findet Bouffier, „der klügste Kopf im ganzen Land“, formuliert Graumann.
Auch für die Musik hatten „FAZ“ und Stadt Frankfurt ein Schwergewicht gewonnen: den vielfach ausgezeichneten deutsch-russischen Pianisten Igor Levit. Er spielt Bach-Bearbeitungen von Brahms und Busoni. Beigesetzt wurde Schirrmacher in Potsdam, wo er mit seiner Familie wohnte. Das Zentrum seines Schaffens aber war Frankfurt am Main.
Schirrmachers Kollege Steltzner erinnert an seinen Einfallsreichtum und seine Energie, seinen Humor und Schlagfertigkeit, seine Freunde am Klatsch. „Seine geradezu kindliche Neugier war überwältigend, ebenso wie seine unbändige Lust, andere zu verblüffen.“ Zaudern und Langeweile seien ihm unerträglich gewesen. „Ein Überwältiger“ sei er gewesen, „und er lebte dabei über seine Kräfte, wie wir heute wissen“.