Niemand hat sie gesehen und doch können alle mitreden: Casting-Shows und Trash-Formate erleben Höhenflüge in Sachen Einschaltquote. Der Hamburger Diplompsychologe Michael Thiel weiß, warum.

Hamburg. Niemand will sie sehen, und dennoch sind die Einschaltquoten von Trash-Formaten und Casting-Shows in Deutschland seit Jahren mehr oder weniger stabil. Weshalb „Deutschland sucht den Superstar“, „Der Bachelor“ oder „Germany‘s Next Topmodel“ seit mehreren Staffeln so gut funktionieren, liegt schlicht in der Natur des Menschen.

„Diese TV-Formate sprechen uns emotional einfach an“, sagt Michael Thiel, Diplompsychologe und psychologischer Berater der Casting-Show „Voice of Germany“ aus Hamburg. Seiner Meinung nach gebe es drei Gründe, weshalb die Menschen regelmäßig bei solchen Shows einschalten. Zum einen, weil sich die Zuschauer über die Teilnehmer ereifern können. „Man sagt dann ja immer gerne: „So würde ich mich nie vor dem Publikum zeigen!“ Wir erheben uns damit zeitgleich über einen Teilnehmer“, sagt Thiel. Zum anderen ist es aber auch genau das Gegenteil, das dazu führt, dass die Einschaltquoten stabil bleiben. „Wir identifizieren uns mit den Protagonisten, wir leiden mit ihnen, fiebern mit ihnen und ärgern uns, wenn sie sich ärgern.“ Und dann ist da noch das Fremdschämen. „Einige Casting-Shows und Trash-Formate bedienen sich der gesamten Palette an Gefühlen. Und ohne große Anstrengung kann diese bequem vom Wohnzimmer aus bedient werden“, so Thiel.

Dass wir Menschen so ein zuverlässiger Partner der TV-Anstalten sind hat aber nicht nur einen emotionalen Grund. Schuld daran sind unter anderem auch sogenannte Spiegelneurone, also Nervenzellen im Gehirn, die den Zuschauer mit dem Protagonisten der Show so mitfühlen lassen, als wären es seine eigenen Gefühle. Damit das gelingt, sei es wichtig, dass der Zuschauer glaubt, echte Dramen und echte Gefühle zu sehen, gepaart mit einem Protagonisten, mit dem sich die Zuschauer indentifizieren. Erst dann schalte er von Mal zu Mal ein und geht mit ihm praktisch auf eine Reise. Das Prinzip „Heldenreise“, wie es in der Fernsehwelt heißt, ist dabei allerdings nicht neu. Bereits in der griechischen Tragödie wurde auf dieses Erfolgsmittel zurückgegriffen. Nur wird es jedes Mal auf die jeweilige Zeit angepasst und zum Beispiel in eine Show wie „Germany‘s Next Topmodel“ transferiert.

„Fernsehmacher sind gut beraten, ihre Shows nicht zu sehr zu inszenieren und die Protagonisten zu künstlich wirken zu lassen“, sagt Thiel. Vielleicht ist auch das der Grund, weshalb etwa die elfte Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ plötzlich wieder funktioniert und die Jubiläums-Ausgabe fast floppte.