Am Donnerstag startet die neunte Staffel von „Germany’s Next Topmodel“. Können Sie nicht mehr sehen? Sollten Sie aber, findet unsere Autorin.
Am Donnerstag läuft die erste Folge der neunten Staffel von „Germany’s Next Topmodel – by Heidi Klum“. Ihr sei Dank, denn nach dem Ende des „Dschungelcamps“ sind nun schon vier Tage vergangen, an denen die Kulturpessimisten nichts zu tun hatten. Vier Tage, an denen der Mediendiskurs des Trivialen ruhte. Keine Vorlage aus dem Fernsehen, die sich geeignet hätte für einen gepflegten Verriss, für eine Petition gegen Irgendjemanden, oder – die billigste Form der Kritik – für ein ironisches Drüberlustigmachen.
Ich bin anderer Meinung als der amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman. Wir amüsieren uns nicht zu Tode. Wir lästern uns zu Tode. Wir Deutschen haben traditionell ein gestörtes Verhältnis zu unseren Prominenten. Die beliebtesten Reaktionen auf einen Erfolg sind Neid und Missgunst. Heidi Klum scheint diese Anti-Haltung besonders stark auszulösen. Ihr wird nicht nur seichtes Fernsehen vorgeworfen, sondern gleich die Krankmachung einer ganzen Mädchen-Generation: Wie könne man nur so oberflächlich, so zickig sein! Diese Kleider, wer zieht denn so was an! Nach vier Kindern hat niemand einen so flachen Bauch, da wurde sicher vom Chirurgen nachgeholfen! Und diese Schuhe, darin kann man doch nicht laufen!
Ach, ja? Dein Freund sagt, er steht gar nicht so auf High Heels? Glaub mir, Honey, er will dich in deinen ewig bequemen Sneakern nur nicht verletzen. Außerdem: Wer sind wir denn, dass wir so über Heidi Klum urteilen dürften? Seal? Auch ich kenne Heidi Klum nicht, ich hatte lediglich das – ja – Vergnügen, sie zweimal ein paar Tage in den USA für Reportagen begleiten zu dürfen.
Es stimmt, sie will immer das letzte Wort haben. Es stimmt aber auch, dass ein Raum strahlt, wenn sie ihn betritt. Man müsste schon seine Augen verschließen, würde man das nicht wahrhaben wollen. Sie spricht diese furchtbare, amerikanische Englisch („Helloooooo, my Deaaaar!“), schätzt aber Loyalität und arbeitet immer noch mit Menschen zusammen, die sie schon vor ihrem Durchbruch kannte. Ich habe gesehen, wie sie Pommes aß, Witze erzählte und bewundert, wie sie nach zwölf Stunden am Set bei minus zwei Grad noch im kurzen Rock und gut gelaunt vor die Kamera trat. Andere wären müde – sie erfüllt Träume. Und sie kann verzeihen: Wolfgang Joop, der neben Thomas Hayo zur Jury gehört, sagte früher viel Negatives über sie. Er hat seine Meinung geändert, nachdem er sie persönlich kennenlernte.
Aufhören mit Nase rümpfen
Worüber ärgern wir uns, wenn wir über Heidi Klum schimpfen? Wirklich über Heidi oder nicht eher über uns selbst? Dass wir nicht so erfolgreich sind. Dass wir nicht so diszipliniert sind und nicht so lange fasten und trainieren, bis der Bauch wieder flach ist. Dass wir keine Ahnung von Mode haben. Dass wir nicht jeden Tag beim Job Höchstleistung geben können oder wollen. Dass Heidi Klum uns in punkto Professionalität einfach um Tausend Model-Beine-Längen voraus ist.
Und falls es tatsächlich nur um die ach so schlimme TV-Sendung geht: Muss es denn immer die „Tagesschau“, Arte oder der „Tatort“ sein, in dem bei gefühlt jedem zweiten Fall ein Kind stirbt? Das ist doch im Grunde der wahre Aufreger: dass hoch bezahlten Drehbuchautoren nichts Kreativeres einfällt, als mit der schlimmsten Angst des Publikums, dem Verlust des eigenen Kindes, zu spielen. Also: Hört auf die Nase zu rümpfen. Das macht nur Falten.
Germany’s Next Topmodel ProSieben, 20.15 Uhr