Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Félicien Rops’ „Der Skandal“.

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Félicien Rops ist ein schöner Mann. Schlank, mit Spitzbart und wachen Augen steht der Künstler an der Druckerpresse und hält einen eben fertiggestellten Abzug prüfend gegen das Licht. Ein Künstler, der seine Arbeit ernst nimmt, aber auch ein Künstler, der weiß, wie er bei diesem Ernstnehmen möglichst gut aussieht.

Zumindest in Paul Matheys Ölgemälde „Félicien Rops an der Druckerpresse in seinem Atelier“, entstanden um 1888, dürfte sich der 1833 im belgischen Namur geborene Illustrator gut wiedergefunden haben, ein Lebemann, der sich einerseits als Dandy inszenierte, der aber andererseits seine Kunst gewürdigt sehen wollte.

Kunsthalle Hamburg besitzt umfangreiche Rops-Sammlung

Die Kunsthalle besitzt mit mehr als 200 Werken einen umfangreichen Bestand an Zeichnungen und Illustrationen von Rops, schon Alfred Lichtwark hatte den Grundstock dieser Sammlung aufgebaut. Immer wieder war angedacht worden, diesen Schatz zu präsentieren, allein: Es fehlte der Anlass, auch gab es Hemmungen, den als pornografisch verschrienen Rops öffentlich zu zeigen. Die Zeichnungen waren sexuell explizit, streckenweise verstörend gewalttätig, durchsetzt von beißender Kritik an Kirche und bürgerlicher Moral.

Albert Bertrand (Stecher), Félicien Rops (Konzeption): „Der Skandal / Le scandale“, 1895, 275 x 350 mm, Radierung in Farbe auf Kupferdruckkarton
Albert Bertrand (Stecher), Félicien Rops (Konzeption): „Der Skandal / Le scandale“, 1895, 275 x 350 mm, Radierung in Farbe auf Kupferdruckkarton © Bildarchiv Hamburger Kunsthalle /

Zudem galt der Künstler selbst als anrüchig, ein von Haus aus wohlhabender Spross höherer Kreise, den es in die Pariser Halbwelt zog und der in späteren Jahren offen eine polygame Beziehung mit den als Modeschöpferinnen erfolgreichen Schwestern Léontine und Aurélie Duluc führte. Erst jetzt, im Kontext der noch bis zum 10. April am Haus laufenden „Femme fatale“-Ausstellung, bietet sich für das Kuratorenteam Juliane Au und Andreas Stolzenburg eine Gelegenheit, die Arbeiten zu zeigen, mit der (im Titel etwas irreführenden) Kabinettausstellung „Paris ist meine Bibliothek“.

Das hier gezeigte Bild „Der Skandal/Le scandale“, eine knapp 30 mal 30 Zentimeter große Radierung in Farbe auf Kupferdruckkarton aus dem Jahr 1895, ist Ausdruck von Rops’ oftmals auftretendem zynischen Humor, mit dem er auf die Gesellschaft blickte. Der Künstler beobachtet darin Damen der flämischen Gesellschaft. Beim Kaffee sitzend erzählt die ältere Frau auf der linken Seite eine Geschichte. Die verschiedenen Reaktionen ihrer Zuhörerinnen verdeutlichen zum einen die moralische Verwerflichkeit der Erzählung, zum anderen die unterschiedlichen moralischen Positionen des Publikums, von Abneigung und Schockiertheit bis Belustigung.

In vielen anderen Werken hat Félicien Rops die Pariser Halbwelt dargestellt, etwa in „Die Bar Les Folies Bergère“. Kurator Stolzenburg legt Wert darauf, dass Rops das Sujet der „Femme fatale“ bedient, dabei aber einen anderen Zugriff wählt als viele seiner Zeitgenossen. Die Weiblichkeit ist zwar auch bei ihm eine zerstörerische Kraft, die die männliche Welt ins Unheil stürzt – aber anders als üblich, ist die „Femme fatale“ hier nicht in erster Linie ein übernatürliches Wesen, sondern eine ganz normale Frau. Da kommt Rops sein Hintergrund als politischer Karikaturist zugute, der mit genauem Blick sein Umfeld porträtierte, Sexarbeiterinnen in Paris, Arbeiter im nordfranzösischen Kohlerevier, Matrosen und Fischersfrauen an der belgischen Küste.

Eine beeindruckende Radierung ist der „Der Streik“

Die beeindruckende Radierung „Der Streik“ (1876) etwa zeigt eine Frau ganz ohne erotische Aufladung vor Fabriken: eine selbstbewusste Proletarierin, die die bürgerliche Gesellschaft aus eigenem Antrieb hinter sich gelassen hat. Auch wenn immer wieder Humor sowie Selbstironie in die Zeichnungen einfließen: Rops ist auch ein Kind seiner Zeit. Sein Frauenbild ist objektifizierend, der Exotismus mancher Darstellungen stößt unangenehm auf, die Detailverliebtheit, mit der er (Lust-)Schmerz und Gewalt zeigt, ist manchmal schwer erträglich. Einmal, in der Lithografie „Jude und Christ“ (1857), schleicht sich in seinen Sinn für soziale Ungerechtigkeiten gar ein antisemitisches Motiv ein. Wirklich leicht goutieren lässt sich die Ausstellung „Paris ist meine Bibliothek“ nicht, ein Gewinn ist sie trotzdem.