Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Victor Emil Janssen „Selbstbildnis vor der Staffelei“.

Wer in Hamburg Janssen in Zusammenhang mit Kunst sagt, meint wahrscheinlich Horst Janssen (1929–1995). Aber der geniale Selbstdarsteller und Provokateur hatte einen gleichnamigen Vorläufer. Der Mann, der hier von diesem Selbstbildnis den Betrachter direkt anblickt, ist Victor Emil Janssen (1807–1845), wie sein Namensvetter in der Hansestadt geboren und gestorben.

Hamburger Kunsthalle: Ungewöhnliches Selbstportrait

Das Selbstporträt wirkt ungewöhnlich. Unverwandt und selbstbewusst blickt der Künstler aus der Leinwand heraus. Sein restlicher Körper hat eine ganz andere Ausstrahlung. Er steht da mit vorgewölbtem Unterleib und im Hohlkreuz. Richtig gesund sieht das nicht aus und ist doch auf eigentümliche Art schön. Die blauen Schnittblumen neben ihm und neben dem Malkasten – das Symbol der Romantik – welken schon vor sich hin.

Heute gilt dieses Bild aus seiner zum Atelier umfunktionierten Schlafstube zu einer „Ikone des romantischen Künstlerselbstbildnisses“. Wolfgang Cortjaens schreibt: „Die Modernität des ehemals Janssens Malerfreund Friedrich Wasmann zugeschriebenen Bildes liebt in seinem schonungslosen Verismus, der mit altmeisterlichen Anklängen gepaart ist. Unterschwellig klingt die Ikonografie des Christus als Schmerzensmann an.“

Janssen: Er lernte in München, Rom und Hamburg

Janssen war Schüler der Gelehrtenschule des Johanneums. Zunächst gehörte er dem „christlichen Verein“ an, der sich für die Romantik begeisterte. Später ging er nach München, um Schüler bei Peter Cornelius zu werden. Danach führte ihn ein Stipendium nach Rom, dem Mekka der romantischen Künstler, wo er Overbeck und die Nazarener kennenlernte. Schon damals bemerkte man erste Anzeichen von Knochentuberkulose und einer Gemütskrankheit. 1843 kehrte er nach Hamburg zurück, nachdem er zuvor die meisten seiner Arbeiten vernichtet hatte.

Das Selbstbildnis gilt als Janssens bedeutendstes Werk. Gleichzeitig ist es das am häufigsten für andere Ausstellungen entliehene Bild der Kunsthalle. Als Janssen zusammen mit Werken von Philipp Otto Runge, Louis Gurlitt, Hermann Kaufmann und Christian Morgenstern in einer Ausstellung der „Hamburger Schule“ ausgestellt wurde, gab es Kritik.

Straße in Barmbek-Nord nach Janssen benannt

Sie hätten zwar alle Plattdeutsch gesprochen, aber weder bedeutende Lehrer noch selbst Schüler gehabt. „Es handelt sich bei dieser Ausstellung, die eine Neuentdeckung sein will, im Kern um ein Konstrukt und den durchsichtigen Versuch, Hamburg als Kunststadt – rückwirkend ins 19. Jahrhundert hinein – einen breiteren Sockel zu verschaffen“, schreibt Peter Engel.

Victor Emil Janssen starb im Alter von nur 38 Jahren. Im Stadtteil Barmbek-Nord ist eine Straße nach dem Spätromantiker benannt worden.