Hamburg. Die südliche Deichtorhalle wird ab Herbst für rund 66 Millionen Euro umgebaut. Zum 35. Jubiläum 2024 soll alles fertig sein.

Die Risse im Gemäuer, die grau-matten Fenster in 18 Metern Höhe, sie werden von der Strahlkraft der gezeigten Fotografien in der laufenden Ausstellung „Family Affairs“ einfach überdeckt. Und dank der abgestützten Außenfassade wurde auch bisher niemand von einem lose gebrochenen Ziegel getroffen. Und doch, es ist nicht von der Hand zu weisen – der Lack im Haus der Photographie, er ist ab.

Bevor es nun wieder hineinregnet wie seinerzeit in der nördlichen Deichtorhalle, erinnert sich Kultursenator Carsten Brosda (SPD), wolle man nun lieber rechtzeitig die südliche Halle angehen und damit ein Signal setzen, nämlich, dass „auch und gerade in Coronazeiten in kulturelle Infrastruktur der Stadt investiert wird“.

Deichtorhallen Hamburg: „Kathedrale der Kunst“

In den 1911 bis 1913 gebauten Deichtorhallen Hamburg wurde anfangs Gemüse gehandelt; seit 1989 zählt das denkmalgeschützte Ensemble mit seiner signifikanten Stahlglasarchitektur zu den renommierten Ausstellungshäusern für zeitgenössische Kunst und Fotografie in Europa. Wegen ihrer besonderen Bauweise, aber auch ihrer immensen Ausstellungsfläche von über 4000 Quadratmetern, bezeichnete der Kultursenator die Deichtorhallen zu ihrem 30. Jubiläum gar als „Kathedrale der Kunst“.

2015 wurde die Nordhalle, in der die Halle für aktuelle Kunst untergebracht ist, aufwendig modernisiert; nun kommt die nächste große Herausforderung: Ab Herbst soll die Südhalle für 66,5 Millionen Euro saniert und erweitert werden, Fertigstellung dann im 35. Jubiläumsjahr 2024. Die Berliner Krekeler Architekten Generalplaner GmbH wird in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt Schäden an der Tragwerkskonstruktion beheben und die Fassaden erneuern.

Neuer Workshopbereich für kulturelle Bildung

Dabei soll die charakteristische und durch das Dach geprägte Silhouette des Baudenkmals erhalten und die filigrane Gliederung der Giebelverglasung aus der Gründungszeit wiederhergestellt werden. Im Rahmen der Sanierung wird auch die technische Gebäudeausstattung inklusive Sicherheits- und Belüftungstechnik komplett erneuert und an die Anforderungen internationaler Ausstellungshäuser angepasst. Oder, wie Brosda ganz plastisch formuliert: „Das Haus wird einmal zerlegt und wieder zusammengesetzt.“

Blick in die nahe Zukunft: So stellen sich die Architekten das Innere des „Hauses der Photographie“ vor.
Blick in die nahe Zukunft: So stellen sich die Architekten das Innere des „Hauses der Photographie“ vor. © © Krekeler Architekten Generalplaner GmbH

Anschließend wird es laut Bert Antonius Kaufmann, Geschäftsführender Direktor der Deichtorhallen, „strahlen wie ein Juwel“. Auch und vor allem von innen, denn während die Außenfassade lediglich instand gesetzt und erneuert wird, wird an der Nordfassade ein neuer Workshopbereich für kulturelle Bildung entstehen; dazu wird auch das Toilettenhäuschen der ehemaligen Markthallen grundlegend saniert. Buchhandlung und Restaurants werden sich mehr zum Stadtraum hin öffnen, so dass die Hallen Innenstadt, HafenCity und Kreativquartier Oberhafen miteinander verbinden.

Sammlung F. C. Gundlach wird neu präsentiert

Die größte Neuerung stellt die Öffnung hin zur Westfassade dar: Künftig wird durch eine neu geschaffene Publikumsfläche mit eigenem Foyer im ersten Obergeschoss die Sammlung F. C. Gundlach samt Bibliothek, Schaudepot und einer neu gestalteten Ausstellungsfläche von 250 Quadratmetern präsentiert. Für wechselnde Ausstellungen, die auch thematisch mit den großen Ausstellungen im „Haus der Photographie“ korrespondieren können, so Intendant Dirk Luckow.

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„Die Deichtorhallen Hamburg waren eins der ersten Häuser in Deutschland, die dank des Engagements von F. C. Gundlach schon früh die künstlerische Bedeutung der Fotografie erkannt und gewürdigt haben. Die jetzt geplanten Baumaßnahmen werden dazu führen, dass das Haus für die Fotoszene in Hamburg, in Deutschland, aber auch international noch attraktiver werden.“ Für die dreijährige Bauphase verspricht Luckow, dass das „Haus der Photographie“ nicht komplett schließen wird. „Der Ausstellungsbetrieb wird weiter laufen. Dafür wird auf dem Vorplatz ein temporärer, künstlerisch gestalteter Ableger errichtet.“

Sebastian Lux lobte Bauvorhaben in Hamburg

Sebastian Lux, Geschäftsführer der Stiftung F. C. Gundlach, lobte das Bauvorhaben als „große Würdigung des Werkes und tolle Weiterentwicklung der Visionen von F. C. Gundlach“. Der berühmte Hamburger Modefotograf, der am 16. Juli 95 Jahre alt wird, hatte schon bei der Neukonzeption des „Hauses der Photographie“ 2003 ähnliche Pläne für seine Sammlung gehabt. Dies sei aber an der damals zur Verfügung stehenden Bausumme gescheitert, so Lux.

Mit der neuen Präsentationsfläche würden die mit über 20.000 Fotografien bedeutende Sammlung und vor allem die auf privaten Interessen und Leidenschaften aufgebaute Bibliothek Gundlachs die gebührende Aufmerksamkeit bekommen. „Denkbar wären auch thematische Ausstellungen daraus zu kuratieren, etwa zum Selbstporträt in der Fotografie oder Körper und Fragmente.“

Deichtorhallen hoffentlich keine zweite Elbphilharmonie

Das „Konjunkturprogramm für Kunst und Kultur“, auf das auch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sichtlich stolz ist, wird im Mieter-Vermieter-Modell (MVM) mit der Sprinkenhof GmbH finanziert. „Eine ambitionierte Aufgabe“ nennt es Geschäftsführer Martin Görge und hofft, „mit dem beginnenden Bauverlauf keine wesentlichen Überraschungen zu erleben“.

Auch mit Blick auf ein nicht unwesentlich teurer geratenes Kulturbauwerk in Sichtweite der Deichtorhallen mussten die Herren Brosda und Dressel schmunzeln, und der Finanzsenator fügte hinzu, dass man wohl nach einer so langen und gut vorbereiteten Vorlaufphase vor solch einer Überraschung gefeit sein sollte.