Hamburg. Tausende Fans kreischen in Hamburg die dramatischen Texte der Sängerin mit. Beim Überraschungsgast rastet das Publikum aus.

Sie haben noch nie etwas von der Sängerin Ayliva gehört? Dann mag das unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht sind Sie nicht zwischen zwölf und 20 Jahren alt. Vielleicht sind Sie nicht auf Tiktok zu finden. Vielleicht sind dramatische Power-Balladen über Liebeskummer nicht Teil Ihres Interessen-Kosmos.

Ganz sicher waren Sie am Sonntagabend nicht auf ihrem Konzert in der Barclays Arena in Hamburg. Dennoch: So viele Gründe es auch gibt, Ayliva nicht zu kennen – mindestens so viele gibt es, um sie kennenzulernen.

Ayliva-Konzert in Hamburg: Sängerin ist noch nicht lange bekannt

Die Sängerin Ayliva heißt mit bürgerlichem Namen Elif Akar, sie ist 25 Jahre alt und wurde in Recklinghausen geboren. Als Musikerin ist sie noch nicht lange bekannt: Nach der Schule hat sie zuvor Philosophie, Germanistik und Soziale Arbeit studiert – doch für die Musikkarriere hat sie das Studium unterbrochen.

Und das nicht vergeblich: Im Sommer 2022 hat die Künstlerin ihr erstes Album „Weißes Herz“ veröffentlicht, im selbem Jahr durfte sie im Vorprogramm von Alicia Keys in Mannheim und Berlin bereits vor Tausenden Menschen auftreten. Schon zuvor hatte sich eine gewaltige Community um sie herum gebildet: Im Dezember 2021 postete sie ein Kurzvideo auf Tiktok, das einen Ausschnitt ihres Songs „Deine Schuld“ zeigte.

Auf Tiktok ging Aylivas Video viral – nun hat sie 1,4 Millionen Follower

Der Song handelt von Aylivas unglücklicher Beziehung zu ihrem Ex-Partner – dieser habe sich ihr gegenüber dominant und gewalttätig verhalten. Ayliva löste damit eine Welle aus, viele Mädchen berichteten von ähnlichen Erfahrungen, machten ihren Schmerz öffentlich. Mittlerweile hat die Sängerin 1,4 Millionen Follower auf Tiktok.

Am Sonntagabend trat sie in Hamburg in der Barclays Arena vor rund 13.000 Fans auf: Es ist ihre erste große Arena-Show. Im August erschien ihr zweites Album „Schwarzes Herz“, mit dem sie nun auf Tour geht. Auf dem Laufsteg-Podest im Inneren der riesigen Halle in Bahrenfeld prangt ein schwarzes Piano. Der Flügel ist übersät von roten Rosen, auch rund um das Podest sind Sträucher aus roten Rosen zu erkennen. Das Bühnenbild setzt die Atmosphäre des Abends: Es wird dramatisch.

Barclays Arena: Aylivas erster Ton wird vom Mikro verschluckt

Unter hysterischem Kreischen des Publikums betritt Ayliva die Bühne und setzt sich ans Klavier. Und dann, der erste Patzer: „Hamburg“ will die Sängerin wohl ins Mikro schreien, doch die erste Silbe wird vom scheinbar ausgeschalteten Ton verschluckt – somit begrüßt sie ihre Fans mit einem schlichten „-burg“.

Doch das ist vollkommen egal – sowohl ihren Anhängerinnen als auch ihr selbst. Ayliva startet mit einem Piano-Solo in den Abend: Ein mutiger, ruhiger Einstieg. „Ich bin ein bisschen angekratzt und schlapp aufgewacht“, erklärt sie. „Wenn meine Stimme bisschen kratzt, singt einfach ganz, ganz laut mit“ – und das tut das Publikum.

Ayliva singt den Refrain ihres Songs „Mein Kopf ist leer“ auf Türkisch

„Wusstest ganz genau, was du mir antust, lass mich endlich gehen, ich wein nur, wenn ich bei dir bleib“ – die Zeilen des Songs „Mein Kopf ist leer“ werden vom Publikum, das zu rund 80 Prozent aus Frauen und Mädchen bestehen dürfte, textsicher mitgesungen. Der Refrain des Liedes ist auf Türkisch – Ayliva hat einen türkischen Background –, und auch dieser wird vom Publikum mitgetragen.

Nach ein paar Songs fällt der Vorhang der Bühne wortwörtlich – die vierköpfige Band kommt zum Vorschein, ab jetzt knallen die Bässe. Das Klavier hat ausgedient. Ayliva wird dynamischer, und die Bewegungsfreiheit gibt ihr Sicherheit, die anfängliche Nervosität schwindet. Ayliva hat sichtlich Spaß auf der Bühne.

Rote Rosen, Konfetti, Feuer: Ayliva bietet den Fans eine gigantische Show

Keine Special Effects werden in ihrer Show ausgelassen: Pyrotechnik wird gezündet, rote Rosenblüten fliegen in der Luft, weißes Konfetti und weiße Papierschlangen landen im Publikum. Acht junge Frauen tanzen pfiffige Lady-Style-Choreos, auch Ayliva schwingt mit. Feuer gibt es natürlich auch.

Aylivas Songs bestehen meist aus poppigen Vocals und Beats, vereinzelt lassen sich Rap-Elemente wiederfinden – was bei ihrem Produzenten Masri nicht verwundernd ist, der bereits mit dem Rapper Fard zusammengearbeitet hat. Ayliva hat eine sensationelle, soulige Stimme: Ihr leicht rauchiger und dennoch glasklarer Sound ist wirklich einzigartig.

Aylivas Songs ähneln einander

Nur thematisch, da wird Abwechslung nicht gerade großgeschrieben. Der Großteil von Aylivas Songs handelt von Liebe: von Trennung und Kummer, Enttäuschungen und Träumen. Ein Titel fällt an diesem Abend jedoch aus der Reihe. Endlich dreht sich mal nicht alles nur um die (verzweifelte) Liebe zu einem Mann – sondern um das Glück, von einer solchen Liebe befreit zu sein.

„Glaub mir, Girl, du kannst alles schaffen, was du willst, dafür brauchst du keinen Mann, dafür brauchst du nur dich“, so empowert sie ihre jungen Fans, zeigt ihre feministische Seite.

Überraschungsgast bei Aylivas Konzert sorgt für lautstarken Jubel

Und dann kommt er auf die Bühne: Rapper Mero betritt das Feld, gemeinsam performen Ayliva und er ihr Lied „Sie weiß“. Ein Song, der auf Spotify mit über 90 Millionen Aufrufen durch die Decke gegangen ist. Das Publikum ist außer sich – spätestens jetzt ist ein kleiner Gehörschaden garantiert.

Eine Überraschungsnachricht haben die beiden Social-Media-Stars auch noch zu verkünden: Groß erscheint „XX.XX.23“ auf den Bildschirmen – noch in diesem Jahr werden sie gemeinsam ein Konzert geben.

Konzert Hamburg: Ayliva ist nicht perfekt – und das ist gut so

Der Auftritt an diesem Abend verläuft alles andere als reibungslos: Mal funktioniert der Ton nicht, wie er soll, mal stolpert Ayliva in ihren hohen Schuhen, setzt an einer falschen Stelle im Songtext an, dreht sich bei einer Tanzchoreo in die falsche Richtung, muss ihre Frisur zurechtzuppeln lassen. Doch das alles schadet dem Auftritt nicht – im Gegenteil: Es macht Ayliva sympathisch.

Sie ist kein perfektes Produkt, sie darf auch Macken haben und darüber lachen. Und die Hauptsache ist: Sie hat massiv Spaß. Das macht sie nahbar und menschlich – und genau das scheint ihre Community auf Tiktok und Instagram an ihr zu lieben. Und nun eben auch live und in Farbe.