Hamburg. Australische Retrorocker legen einen fantastischen Auftritt auf dem Kiez hin. Da fragt man sich: Warum sind sie nicht größer?
Retro-Rockbands gibt es wie Sand am Meer, und manche davon werden richtig groß wie Kings Of Leon oder The Black Keys, die am Mittwoch im Stadtpark spielten.
Auch Wolfmother hatte vor langer Zeit das Zeug dazu, aber irgendwie haben es die Australier gründlich verkackt. Na, ja. Für eine gut gefüllte, brodelnde Große Freiheit 36 reicht es am Donnerstag noch.
Wolfmother in Hamburg: Fette Gitarre, eingängige Melodien
Beim ersten Song „Dimension“ aus dem Jahr 2005 weiß man gleich wieder, warum die Band damals plötzlich aus Down Under nach oben schoss. Fette Gitarre, eingängige Melodien, donnerndes Rhythmus-Korsett und die heliumhohe Stimme von Frontmann Andrew Stockdale.
Der zweite Song „Rock Out“ kommt vom gleichnamigen aktuellen Album von 2021, hätte aber auch auf dem Debüt Platz finden können.
Wolfmother liegt zwischen Led Zeppelin und Deep Purple
Rock irgendwo zwischen Led Zeppelin, Black Sabbath, Cream, Blue Cheer, The Who und Deep Purple, 60er und 70er, Wolfmother versucht das möglichst authentisch in das Jetzt zu übertragen.
Deep Purple ist ein gutes Stichwort: Die historischen Vorbilder waren lange Zeit berüchtigt für dauernde Besetzungswechsel, im September 2022 trat – nach 20 Jahren Kontinuität – die neunte Besetzung an.
Wolfmother-Frontman Andrew Stockdale im Tauschrausch
Andrew Stockdale kann da nur milde lächeln, seit Gründung von Wolfmother im Jahr 2004 tauschte er bislang 22 Mal (ohne Gewähr) die Kollegen an Orgel, Bass und Schlagzeug aus. Wenn er auf Tour geht, verpflichtet er zur Not ganze Bands wie The Vines oder zuletzt die niederländische Band Paceshifters.
Man braucht gar nicht schreiben, wer in der Freiheit bei den Klassikern „Woman“ und „White Unicorn“ auf der Bühne steht und von Stockdale vorgestellt wird. Die fliegen eh morgen wieder raus. Dabei machen Schlagzeuger und Bassist – keine Orgel heute – ihren Job hervorragend. Und diese beiden Songs haben immer noch eine Macht.
Geilgeilgeil: Wolfmother macht die Freiheit zum Tollhaus
Ach, die zwei ersten erfolgreichen Alben „Wolfmother“ (2005) und „Cosmic Egg“ (2009) sind randvoll mit Brettern wie „California Queen“, „Colossal“, „New Moon Rising“ und dem wohl immer noch bei jeder dritten Sport-Einlaufshow abgefeuerten „Joker & The Thief“. Da klappern die Nägel aus dem Freiheit-Parkett. Geilgeilgeil! Die Freiheit: ein Tollhaus.
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Das Potenzial von Wolfmother ist also immer noch deutlich spürbar. Power-Trio. Alle haben einen Mordsspaß auf und vor der Bühne. Ein feines, dreckiges, lautes Konzert.
Eine Tragödie: Stockdale ist irgendwo falsch abgebogen
Wo ist Stockdale falsch abgebogen, warum haben die beiden letzten Alben „Rock’n’Roll Baby“ und „Rock Out“ nicht einmal in seiner australischen Heimat jemanden interessiert? „Rock Out“ spielte er mit Hilfe eines 19-jährigen Toningenieurs in Ausbildung ein, der ihn im Café ansprach, und veröffentlichte es in Eigenregie. Es ist eine Tragödie.
Aber dass Stockdale einfach nicht aufgibt, nötigt schon Respekt ab. Er bezeichnet sich als „Rock’n’Roll Survivor“, wie er nach 90 Minuten in der ersten Zugabe singt. Mund abwischen, weiter rocken. Immer weiter. Das Hamburger Publikum weiß das zu schätzen und verdient sich noch eine weitere, echte, ungeplante Zugabe: „Rock And Roll“ von Led Zeppelin. Klasse!