Hamburg. Der Star-Komponist spielte vor 9000 Fans das erste Konzert in Klein Flottbek seit 15 Jahren – und versackte manchmal im Seichten.

Der Titel seines Albums „Underwater“, er ist Programm an diesem Sonnabend. Erbarmungslos prasselt der Regen nieder auf die Freilichtbühne im Derby-Park und die davor aufgebauten Zuschauerreihen. Tapfer hüllen sich die rund 9000 Besucher in ihre Regencapes – Schirme sind nicht zugelassen. Aber sie wollen ihn trotzdem hören und erleben: den italienischen Kompositions- und Filmmusik-Superstar Ludovico Einaudi bei einem von zwei sommerlichen Deutschlandkonzerten.

Zuvor muss allerdings noch der Flügel von einem schützenden Regenzelt und einer Plane befreit werden. Die Notenblätter wellen sich bereits in der Feuchte. Mit halbstündiger Verspätung winkt Einaudi zur Begrüßung unter einem sommerlichen Strohhut in die Menge. Und, oh Wunder, auf einmal kommt die Sonne raus.

Konzert Hamburg: Ludovico Einaudi erobert mit sanften Klängen den Derby-Park

Mit sanften Miniaturen beginnt er solo am klangverstärkten Flügel. „Atoms“ und der in Melancholie getränkte „Wind Song“ stimmen ein auf die Begegnung mit den Elementen, mit der Natur, die der Menge jetzt schon in die durchweichten Glieder zieht. Vögel ziehen vorüber. Mitunter hört man ein Schiff tuten. Partymusik verebbt in der Ferne. Zuschauer nesteln an ihren Plastikcapes. Nebenan ducken sie sich unter einer Yogamatte.

Knisternde Stimmung: Knapp 9000 Besucherinnen und Besucher kamen zu Ludovicos Auftritt im Derby-Park in Klein Flottbek. Dauerregen machte das Warten auf den Konzertbeginn zur Geduldsprobe – dann zeigte sich die Sonne.
Knisternde Stimmung: Knapp 9000 Besucherinnen und Besucher kamen zu Ludovicos Auftritt im Derby-Park in Klein Flottbek. Dauerregen machte das Warten auf den Konzertbeginn zur Geduldsprobe – dann zeigte sich die Sonne. © Thorsten Ahlf

Der Magie des Abends tut all das keinen Abbruch. Das erfreulich generationenübergreifende Publikum sitzt ganz in die Musik versunken da. Verzaubert von einem einzelnen Mann am Flügel, der mit seinen sanften, auf den Spuren des Minimalismus eines Philip Glass, aber auch der feinen Reduziertheit eines Erik Satie wandelnden Klängen im Nu den ganzen Park porös spielt. „Natural Light“ erklingt, das fröhliche „Rolling Like A Ball“ und das impressionistisch hingetupfte „Flora“.

Einaudi lässt seine Finger unangestrengt über die Tasten fliegen. Von den beiden kleinen Leinwänden schafft es nur eine, für kurze Zeit sein Spiel aus der Nähe zu zeigen. Aber auch das macht nichts. Der 67-Jährige braucht keine großen Effekte – nur Melodien für die Ewigkeit.

Einaudi-Konzert im Derby-Park: Manchmal versacken die Melodien im Seichten

Es gibt einige wenige Durchhänger im Laufe des Abends, bei denen das Pathos der Melodien dann doch etwas im Seichten versackt. Einaudi bekommt aber die Kurve, auch weil er neben den „Underwater“-Songs zu einigen seiner großen Hits greift. Zu den auf- und niederwogenden Arpeggien von „Fly“ etwa, die verstärkt durch sein wunderbares Kammerensemble, bestehend aus dem kongenialen jungen Violinisten Federico Mecozzi, dem Cellisten Redi Hasa und dem Percussionisten Francesco Arcuri erklingen.

Der vollere, sattere Sound, er tut dem Abend gut. Sanft gleitet „Una Mattina“ dahin. Grandios steigert sich die Dramatik von Piano und Streichern in „Divenire“. Stets führen die Musiker die Songs präzise ihrem oft abrupten Ende in einem spannungsreichen Akkord zu. Würde man an einem Film arbeiten, käme man sofort auf die Idee, Ludovico Einaudi wie zuvor die Macher von „Ziemlich beste Freunde“ oder „Nomadland“ mit Freuden die Filmmusik anzuvertrauen. Einaudi ist allerdings auch jemand, der wirklich nur die Musik sprechen lässt.

Hamburg: Ludovico Einaudi am Piano – kein Freund großer Worte

Mit dem Publikum kommuniziert er so gut wie nicht. Ab und zu dreht er sich auf seinem Klavierschemel um und faltet zum Dank die Hände. Am Ende reicht es für ein „Grazie“ und ein „Ciao“. Der Derby-Park, zuletzt vor 15 Jahren von Lang Lang bespielt, eignet sich als Open-Air-Spielstätte für große Zuschauerzahlen bedingt – und das liegt nicht nur am Hamburger Wetter. Im Stau schiebt sich die Menge dem Ausgang zu. Ausgebremst, aber beglückt und beseelt. Grazie Maestro.